zum Hauptinhalt
Die Linke ging zunächst von einem Mordanschlag gegen ihren Nachwuchspolitiker aus. Nun sieht es danach aus, als ob er die Messerattacke nur erfunden hat. Linksfraktionschef Dietmar Bartsch hat seinen Tweet inzwischen gelöscht.

© Twitter/Tagesspiegel

Update

Wismar: Politiker der Linken hat Messerattacke offenbar erfunden

Unbekannte Täter aus der Nazi-Szene sollen mit einem Messer auf einen Linken-Politiker eingestochen haben - doch anscheinend hat der junge Mann die Attacke nur erfunden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Vortäuschung einer Straftat.

Von Matthias Meisner

Der Linken-Nachwuchspolitiker Julian Kinzel aus Mecklenburg-Vorpommern hat die angeblich auf ihn verübte Messerattacke vermutlich erfunden. Davon gehen die Staatsanwaltschaft Schwerin und der Staatsschutz der Schweriner Kriminalpolizei aus, wie Behördensprecher Stefan Urbanek mitteilte. Die Staatsanwaltschaft leitete am Montag ein Ermittlungsverfahren wegen Vortäuschung einer Straftat ein. Zweifel am Ablauf der Geschehnisse waren bereits am Wochenende aufgekommen. Auch der NDR hatte darüber berichtet.

"Auf die Unschuldsvermutung wird ausdrücklich hingewiesen", heißt es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft. Allerdings hätten die bisherigen Ermittlungen das Ergebnis gebracht, "dass der 18-jährige Linken-Nachwuchspolitiker Julian Kinzel den unter anderem in seiner Strafanzeige beschriebenen Überfall auf ihn in Wismar lediglich erfunden hat". Kinzel droht laut Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder oder eine Geldstrafe - das ist das Strafmaß für Fälle, in denen wider besseres Wissen einer Behörde oder einer zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Stelle vorgetäuscht wird, dass eine rechtswidrige Tat begangen worden sei.

Zur Begründung berief sich Behördensprecher Urbanek auf das Gutachten eines Rechtsmediziners, das dieser angesichts der Untersuchung der Verletzungen des Linken-Nachwuchspolitikers und im Rahmen einer Rekonstruktion des Vorfalles am Tatort im Beisein des vermeintlich Geschädigten vorgenommen hatte. Der Sachverständige komme zu dem Schluss, dass die Art der Verletzungen nicht mit dem behaupteten Verlauf des Überfalles in Übereinstimmung zu bringen seien, "eine Selbstbeibringung dagegen hinreichend wahrscheinlich ist".

Daneben sei Kinzel nicht in der Lage gewesen, den bei dem vermeintlichen Überfall beschädigten Mantel bei der Polizei vorzulegen. Nach seinen Angaben sei ihm der getragene Mantel kurz nach dem Vorfall entwendet worden.

Die Linkspartei hatte vergangene Woche von einem "Mordanschlag" gegen den 18-jährigen Studenten gesprochen. "Wir sind geschockt", erklärte die Partei am Mittwoch auf Twitter. Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn sagte: "Der aktuelle Fall belegt auf traurige Weise einmal mehr, wie gefährlich und menschenverachtend Rechtsextremismus ist." Auch Dietmar Bartsch, Chef der Linksfraktion im Bundestag, verurteilte die Tat "auf das Schärfste" und erklärte, dass die Linke in ihrem Kampf gegen Rechtsextremismus nicht nachlassen werde. Parteichefin Katja Kipping sagte damals: "Der Messerangriff ist abscheulich und auch ein Angriff auf die Demokratie." Ihren am vergangenen Mittwoch veröffentlichten Tweet dazu hat die Politikerin inzwischen gelöscht.

Linke will Ermittlungen gegen ihr Mitglied nicht kommentieren

In einem vom Schweriner Linke-Kreischef Peter Brill unterzeichneten Facebook-Post hatte die Partei am späten Dienstagabend über die angeblich auf das Kreisvorstandsmitglied verübte Messerattacke berichtet. "Die drei Täter schlugen ihn nieder und stachen, nach Aussage der behandelnden Ärzte, mit einem Messer etwa 17 mal auf ihr Opfer ein. Dabei wurde er als ,schwule Kommunistensau' beschimpft. Dies und die Bekleidung eines der Täter mit szenetypischer Bekleidung (Thor Steinar) nähren den Verdacht, dass es sich um eine rechtsextremistisch motivierte Straftat handelt", hieß es.

Noch am Sonntag hatte der Vorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion, Dietmar Bartsch, Kinzel gegen Verdächtigungen in Schutz genommen. Er sagte dem Tagesspiegel: "Der Staatsschutz ermittelt. Von den Ermittlern werden die Zweifel nicht bestätigt. Ich kenne den jungen Mann sehr gut. Klug und ehrlich."

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Am Montag sagte die Sprecherin der Linkspartei, Sonja Giese, dem Tagesspiegel zum gegen Kinzel eingeleiteten Ermittlungsverfahren: "Von unserer Seite kommentieren wir den Vorgang nicht. Es bleibt abzuwarten, was da rauskommt." Giese warnte davor, "vor Abschluss der Ermittlungen voreilige Schlüsse zu ziehen". Auch Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn erklärte auf Anfrage, er wolle sich "erstmal nicht" äußern.

Der Schweriner Kreischef der Linken, Peter Brill, sagte dem Tagesspiegel, die Staatsanwaltschaft ermittele, sie sei eine unabhängige Behörde: "Ich habe keine neuen Erkenntnisstände. Da gegen Herrn Kinzel ermittelt wird, werde ich Tod und Teufel tun, mich in irgendeiner Weise zu äußern." Auch Linksfraktionschef Bartsch schloss sich dieser Linie an: "Abwarten mit Äußerungen bis es endgültige Ergebnisse gibt. Rechtsstaat", erklärte er auf Tagesspiegel-Anfrage.

Deutlicher wurde am späten Montagabend die Linksfraktion im Bundestag. Sie schrieb auf Facebook: "Die Ermittlungen laufen. Wenn sich der Vorwurf der Staatsanwaltschaft als wahr herausstellt, wird sich Julian Kinzel dem Verfahren und dem Urteil zu stellen haben. Der Rechtsstaat gilt selbstverständlich auch für ihn. Häme aber ist fehl am Platz. Dafür gibt es viel zu viele reale Angriffe von Rechtsextremisten und Rassisten auf Flüchtlinge, ihre Unterkünfte, ihre Unterstützerinnen und Unterstützer, politisch Andersdenkende in Kaltland."

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false