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Den Dialog nicht abbrechen: Wladimir Putin und Angela Merkel (hier ein Foto von 2015) trafen sich am Mittwoch in Berlin.

© dpa

Wladimir Putin in Berlin: Merkels Außenpolitik kommt an viele Grenzen

Im Konflikt um die Ostukraine kann die deutsche Kanzlerin vielleicht gute Dienste leisten, ihr Einfluss in der EU dagegen schwindet. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Gemeinsam sind Russland, Amerika und Europa in der Lage, Weltraumstationen zu betreiben und Sonden auf den Mars zu schicken. Aber was in den unendlichen Weiten des Alls funktioniert, gerät auf der Erde buchstäblich an Grenzen – an die Grenzen zwischen den Staaten im Mittleren Osten, an die Grenzen von Einflusssphären, an die Grenzen zwischen Russland und der Ukraine. Angela Merkel sieht sich in der Pflicht, zusammen mit dem französischen Präsidenten an einem Tag im Ukrainekonflikt zu vermitteln und am nächsten beim EU-Gipfel in Brüssel ihren Beitrag zum Zusammenhalt eines – auch an seine Grenzen gekommenen – politischen Bündnisses zu leisten.

In den Konflikt um die Ukraine sind nur zwei Staaten verwickelt, von denen der eine seinen Machtbereich ausdehnen, der andere ihn wahren will. Für den Osten Europas kann die deutsche Kanzlerin vielleicht gute Dienste leisten. Sie kennt die Mentalitäten der Handelnden besser als jeder andere Politiker auf dem Kontinent. Sie war auch die Erste, die vor zwei Jahren den Zwang zum Handeln angenommen hat, ihm nicht, wie England, ausgewichen ist. Dabei ist auch in der eigenen Bevölkerung, nicht nur in der stets auf Absatzzahlen fixierten Wirtschaft, der Kurs der Sanktionen und ökonomischen Restriktionen gegenüber Russland hoch umstritten.

Es rächt sich der deutsche Stil gegenüber den Südeuropäern

Die Deutschen haben ein gespaltenes Verhältnis zur traditionellen Partnermacht USA, die immerhin ein halbes Jahrhundert den Frieden in Europa garantierte. Es gibt nicht nur im Osten der Republik eine geradezu romantische Putin- und Russlandbegeisterung, die übersieht oder verkennt, dass der große Nachbar im Osten nur durch ein hohes Maß an innerstaatlichen Restriktionen zusammengehalten wird. Wladimir Putin seinerseits hat nie verwunden, dass der Westen, dass die USA nicht auf seine am 25. September 2001 im Bundestag vorgetragene Bereitschaft zu umfassender Zusammenarbeit reagierten. Vor allem Amerika war allerdings zu diesem Zeitpunkt für solche Offerten völlig blockiert: zwei Wochen nach 9/11...

In Berlin wird auch über Syrien gesprochen werden. Hier ist der deutsche Einfluss gering, die Rolle eher appellativ und allenfalls vermittelnd. Aber auch einem Machtpolitiker wie Putin kann es nicht egal sein, als Beteiligter eines Massenmords an Zivilisten in Aleppo gebrandmarkt zu werden. Ein Signal auf dem Berliner Gipfel könnte einen Weg zumindest zu einer Atem- und Denkpause für Verhandlungen weisen.

In Europa, wo Angela Merkel noch zum Beginn des vergangenen Jahres die – zähneknirschend – akzeptierte Meinungsführerin war, schwand ihr Einfluss unter dem Druck der Flüchtlingskrise. Heute unterstützt sie im Rat der EU Positionen, die sie noch vor Jahresfrist vehement abgelehnt hat. Es blieb ihr nichts anderes übrig, denn auch im eigenen Land wandten sich immer mehr Menschen von ihr und der CDU ab. Heute kann sie nur noch in Deutschland und in Europa um neues Vertrauen werben.

Eine Position der Stärke ist das nicht, zumal Deutschland mit dem englischen Brexit-Beschluss einer der Wortführer der Rationalisten und Marktwirtschaftler verloren geht. Nun rächt sich auch der deutsche Stil gegenüber den Südeuropäern, das herrische Auftreten gegenüber Griechenland, Italien und Spanien im Kampf um die Stabilität des Euro. Der Gipfel ab Donnerstag wird kaum einer der großen Erfolge sein.

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