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Politik: Wo Deutschland was zu suchen hat

AUSLANDSEINSÄTZE

Von Christoph von Marschall

Amerika verliert die Kontrolle. Täglich gibt es neue Anschläge im Irak, nicht nur auf USTruppen, auch auf Ölpipelines und die Wasserversorgung, sogar auf die Vereinten Nationen. Ordnung, Wiederaufbau, Normalität sollten das Ziel aller sein, auch der Kriegsgegner, auch der Bundesregierung. Aber muss Deutschland deshalb mehr tun, wie hohe SPD-Politiker fordern? Gar Soldaten schicken – weil man die amerikanischen Verbündeten nicht hängen lassen dürfe, wie manche meinen, oder weil man gar nicht anders könne, wenn es ein UN-Mandat gäbe, wie andere argumentieren?

Tausende Bundeswehrsoldaten haben im letzten Jahrzehnt gefährliche Auslandseinsätze geleistet: auf dem Balkan, in Ost-Timor, Afghanistan, Kuwait. Hat die Gesellschaft nun klare Kriterien, weshalb wir sie wohin schicken – und wann nicht? Wir sind eine europäische Mittelmacht, keine weltweit agierende Superpower. Wir denken weniger global als die früheren Kolonialreiche Großbritannien und Frankreich. In Afrika beteiligen wir uns im Zweifel nicht. Deutsche Einsätze dienten bisher der Verteidigung der Menschenrechte oder der Stabilisierung nach Regimewechseln. Ein UN-Mandat gilt als Bedingung. Was nicht automatisch heißt, dass Deutschland bei jeder UN-Aktion dabei sein oder überall eingreifen muss, wo Menschenrechte verletzt werden. Unsere Mittel sind begrenzt. Mittun sollten wir nur, wenn deutsche oder Bündnisinteressen auf dem Spiel stehen, ein Gesamtkonzept den Erfolg ziemlich sicher macht – wozu die Bereitschaft gehört, bei Negativentwicklungen mehr Truppen zu stellen – und wir Sinnvolles beitragen können.

Das alles ist schon in Afghanistan fraglich. Deutschland hat den Krieg gegen die Taliban unterstützt und mit der Petersbergkonferenz Verantwortung für den Neuanfang übernommen. Der ist durch den Widerstand regionaler Warlords gefährdet. Weshalb der Einsatz ausgeweitet wird. Das wäre richtig, wenn der Westen die Truppe so aufstockt, dass sie den Kampf gewinnen kann. Tut er aber nicht.

Zu kurz greifen auch die Antworten auf die Probleme im Irak. Wir haben diesen Krieg der USA abgelehnt, doch es liegt in unserem Interesse, dass er nicht im Chaos endet oder mit einem Triumph islamistischer Terroristen. Aber: Soldaten oder Aufbauhelfer zu schicken ohne ein Konzept, wie man sie schützt, hieße, sie zu verheizen. Da hilft auch das geforderte UN-Mandat nicht weiter. Es ist nötig für die Legitimation. Nicht aber, weil Menschen mit UN-Helm irgendetwas besser könnten als unter US-Flagge: ob Terrorbekämpfung, Bau von Brücken und Wasserleitungen oder Verwaltung. Sie sind auch nicht weniger bedroht, wie der Anschlag auf die UN zeigte.

Drei Probleme sind jetzt zu lösen. Erstens, Anschläge zu verhindern und Sicherheit herzustellen. Zweitens, die Bevölkerung zu überzeugen, dass es ihr mehr Nutzen bringt, den Aufbau als den Widerstand zu unterstützen. Drittens, den Irakern bei einer Art Petersbergkonferenz politische Verantwortung zu übertragen – dann müssen sie sich auch erklären, wo sie stehen und was sie wollen.

Das Sicherheitsproblem ist kleiner und zugleich größer als gedacht. Das Bild eines Landes im Widerstand stimmt nicht. Aber es kann dahin kommen, wenn die Menschen nicht bald Fortschritte im Alltag spüren: Wasser, Jobs, Sicherheit. Jetzt beschränken sich die Anschläge überwiegend auf das sunnitische Dreieck um Bagdad. Dahinter stecken offenbar GuerillaExperten des alten Regimes und Islamisten aus aller Welt. Dieses Problem müssen die Amerikaner lösen. Wenn sie die nötigen Anstrengungen unternehmen, kann man erwägen, sie beim Wiederaufbau zu entlasten, unter UN-Mandat. Wenn nicht, haben die Deutschen keinen Grund, für die USA den Kopf hinzuhalten.

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