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Politik: Wo fängt die Gier an?

MANNESMANN-PROZESS

Von Ursula Weidenfeld

Es waren wilde Zeiten, damals, im Februar 2000, als der Wert der Firma Mannesmann binnen weniger Wochen von weniger als 100 auf fast 180 Milliarden Euro stieg, der Dax die 6000-Punkte-Marke deutlich überschritt und viele in Deutschland davon träumten, ohne Arbeit, einfach nur durch Aktienbesitz, sehr, sehr reich zu werden.

Es war eine Illusion. Eine, die mit der Übernahmeschlacht um Mannesmann ihren Höhepunkt erreichte, die danach rapide zusammenbrach – und alle diese Hoffnungen, Träume und Illusionen wieder mit sich nahm. Die Kleinaktionäre haben sich längst damit abgefunden, dass es Reichtum ohne Mühe nicht geben kann. Sie arbeiten wieder, sie sparen wieder und sie machen sich wieder Sorgen. Der ehemalige Mannesmann-Chef Klaus Esser aber argumentiert, dass dreißig Millionen Euro Abfindung eine angemessene Entschädigung für die Mühe sind, die er sich mit der Firma gemacht hat. Und der ehemalige Aufsichtsrat bei Mannesmann, Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, sagt, dass mit Esser eines der großen deutschen Management-Talente auf der Anklagebank sitze. Auch er selbst fühlt sich zu Unrecht vor Gericht gezerrt.

Klar ist: Millionengehälter für Manager sind auch in Deutschland nichts Ungewöhnliches mehr. Schließlich stehen die großen Unternehmen des Landes im globalen Wettbewerb, und deshalb müssten sie ihren Spitzenkräften auch das zahlen können, was auf dem Weltmarkt üblich ist. Und aus dieser Perspektive haben die Manager Recht – so entfernt ihre Realität auch von der eines normalen Menschen sein mag, eines normalen Mitarbeiters mit normalen Maßstäben, der auf sein Weihnachtsgeld verzichtet, um den Arbeitsplatz zu retten. Dessen Betriebsrente gekündigt wird, damit das Unternehmen gesunden kann.

Haben die Mannesmann-Manager und -Aufseher also ihre Macht zum Schaden des Unternehmens missbraucht? Oder standen die insgesamt fast 57 Millionen Euro, die im Zuge der Übernahme an ehemalige Führungskräfte ausgereicht wurden, tatsächlich in einem angemessenen Verhältnis zur Situation bei Mannesmann? Das sind die Fragen, die von heute an vor dem Düsseldorfer Landgericht zur Entscheidung stehen.

Egal, wie das Urteil am Ende ausfällt: Die zentralen Fragen, wie ein gutes Unternehmen geführt werden soll, wird das Gericht nicht beantworten können. Es wird nicht bestimmen können, wo die Wetterscheide zwischen einer gesunden Belohnung für einen guten Manager und schlichter Gier verläuft. Es wird den Grat zwischen moralischem und unverantwortlichem Handeln nicht neu bestimmen können. Und es wird nicht verhindern können, dass es wieder passiert.

Dass aber ein solcher Prozess geführt wird, ist wichtig – und nicht, wie die CDU-Vorsitzende Angela Merkel meint, ein Schaden für den Standort Deutschland. Dass der Chef der Deutschen Bank gemeinsam mit dem früheren IG-Metall-Vorsitzenden Klaus Zwickel auf der Anklagebank sitzt, zeigt, wie kritisch das Land inzwischen auf die eingespielten und sorglosen Mechanismen der Deutschland AG blickt. Wie sehr das selbstzufriedene Gemauschel zwischen Vorständen und Aufsichtsräten dem Bedürfnis der Menschen zuwiderläuft, wenigstens zu verstehen, nach welchen Grundsätzen und Kriterien ihre Firmen geführt werden. Und da hat der Fall Mannesmann schon jetzt weit über die Verhandlungen des Landgerichts hinaus gewirkt – und zu einem Umdenken geführt: Die meisten großen deutschen Unternehmen sind heute bereit, sich freiwillig auf Regeln guter Unternehmensführung zu verständigen. Ein paar veröffentlichen inzwischen sogar die Gehälter ihrer Vorstände. Vor ein paar Jahren war das noch undenkbar.

Die Deutsche Bank ist heute so um die 40 Milliarden Euro wert. Dazwischen, zwischen den 40 Milliarden für die größte und wichtigste deutsche Bank und den 180 Milliarden Euro, die im Februar 2000 für den Stahl- und Telefonkonzern Mannesmann bezahlt wurden, liegen Irrsinn, Gier, Irrationalität, Goldgräbertum und vielleicht auch Untreue. Ganz sicher aber liegt da die Chance, sich darüber klar zu werden, wie Unternehmen geführt werden sollen – bevor der nächste Boom an der Börse die Maßstäbe wieder verwischen kann.

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