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Mit konkreten Forderungen reist Benjamin Netanjahu (rechts) zu Barack Obama nach Washington: Im Streit um das iranische Atomprogramm will der israelische Regierungschef vom US-Präsidenten eine glaubhafte Angriffsdrohung hören. Foto: Ron Sachs/dpa

© dpa

Politik: Woche der Entscheidung

Israel und die USA wollen gemeinsam klären, wie sich das Atomprogramm Teherans stoppen lässt.

Angriff oder Verhandlungen, abwarten oder Präventivschlag? Zu Beginn dieser Woche fällt in Washington wohl die Vorentscheidung über das weitere Vorgehen Israels und der USA gegen den Iran. Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu drängt auf verbindliche Aussagen von US-Präsident Barack Obama.

Israels Staatspräsident und Friedensnobelpreisträger Schimon Peres wollte vor der jüdischen Lobbyorganisation AIPAC und danach bei einem Treffen mit Obama im Weißen Haus Befürchtungen zerstreuen, dass Israel im Alleingang gegen die atomare Aufrüstung des Iran vorgehen könnte. Jerusalem habe volles Vertrauen in Obama und seine Versprechen in Bezug auf den Iran, erklärte Peres. Auch er selbst befürworte eine nichtmilitärische Lösung des Iran-Problems.

Doch noch vor Peres’ Rede sprach Israels Außenminister Avigdor Lieberman am Sonntagmorgen der internationalen Gemeinschaft mit Washington an der Spitze sein Misstrauen aus: Das Ausland schaue den fürchterlichen Massakern in Syrien untätig zu. Man könne daher von Israel nicht verlangen, den Garantieversicherungen der gleichen internationalen Gemeinschaft für Israels Sicherheit Glauben zu schenken.

Am heutigen Montag wird Netanjahu bei seinem Treffen mit Obama zumindest fordern, dass sich die USA alle Optionen, einschließlich der militärischen, offenhalten – also glaubhaft drohen. Der israelische Regierungschef will die Tatsache ausnutzen, dass der US-Präsident im Wahljahr auf jüdische Wähler besonders Rücksicht nehmen muss. Netanjahus Plan ist es, verbindliche Zusagen in Bezug auf den Iran zu vermeiden.

Dabei geht es vor allem um einen möglichen israelischen Luftangriff auf die iranischen Atomanlagen und Raketenbasen. Diesen könnte Israel Experten zufolge nur als Präventivschlag ausführen – also schon in den nächsten Monaten. Damit könnte ein Angriff in die Endphase des US-Wahlkampfs fallen.

Ziel Obamas sei es, so ließ Washington im Vorfeld des neunten, aber ohne Zweifel wichtigsten Treffens mit Netanjahu wissen, „Israel zu überzeugen, nicht im Iran anzugreifen“. Obama versicherte am Wochenende zwar, dass er es sehr ernst meine mit seiner Feststellung, die USA würden keinen „atomaren Iran“ zulassen, also die nukleare Aufrüstung Teherans mit allen – notfalls auch mit militärischen – Mitteln stoppen. In Israel ist man aber überzeugt, dass Obama zunächst rasch wieder mit Teheran verhandeln will.

Netanjahu wird sich nicht dagegen stemmen – wohl aber als Vorbedingung verlangen, dass der Iran die Urananreicherung in dieser Zeit einstellt. Für Israel ist es wichtig, dass die USA die Verhandlungen so führen, dass bei den Iranern nicht der Eindruck entstehen kann, sie könnten 2012 als amerikanisches Wahljahr ausnutzen, um ihre atomare Aufrüstung unbehindert und endgültig durchzuziehen.

Dass Israel sich schon bald entscheiden wird, wie es weiter mit dem Iran umgehen wird, glaubt auch der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, Schimon Stein. „Die Stunde der Entscheidung ist sehr, sehr nah“, sagte Stein am Sonntag der Nachrichtenagentur Reuters. Die Lage habe in den vergangenen Wochen deutlich an Dramatik gewonnen, sagte der Diplomat mit Blick auf die Ankündigung des Iran, Teile seines Atomprogramms in unterirdische Anlagen zu verlegen, um sie vor Angriffen zu schützen. „Die israelische Regierung befasst sich ernsthaft mit dieser Frage momentan. Sie erwägt eine militärische Option, weil es nicht sehr viele gibt, die meinen, dass die Sanktionen wirken.“ Mitentscheidend für die Frage eines israelischen Alleingangs sei, ob Obama dem israelischen Regierungschef im Gegenzug für einen Angriffsverzicht zusichert, dass die USA im Falle eines Scheiterns der Sanktionen zu einem späteren Zeitpunkt selbst militärisch eingreifen würden, um eine iranische Atomwaffe zu verhindern, sagte Stein, der am Tel Aviver Institut für Nationale Sicherheitsstudien forscht.

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