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Politik: Wohin der Wind weht

Von Lorenz Maroldt

SchleswigHolstein ist ein kleines Land mit gerade etwas mehr als zwei Millionen Wählern. Groß sind hier, abgesehen von den Leuchttürmen, den Deichen und den Wellen im Winter, nur die Schulden. Es gibt ja hier – kurzer Ausflug zum Fußball – nicht mal einen Bundesligaverein. Gerne hätten CDU und SPD der Wahl in diesem Land eine große Bedeutung beigemessen, je nach Ausgang. Doch das können sie, so direkt, geflissentlich vergessen. Denn einerseits dreht sich der politische Wind in diesen Zeiten schneller als je zuvor und ist weniger berechenbar als ein Tief über Ost- und Nordsee, andererseits hat hier eine klassische Landtagswahl stattgefunden, mit allen Skurrilitäten wie dem Südschleswigschen Wählerverband und Unwägbarkeiten wie dem Einfluss des Wetters auf die Wahlbeteiligung. Das Schaulaufen der Bundesprominenz an der Küste hat daran wenig geändert.

Die CDU hat sehr gut abgeschnitten, aber nicht wegen, sondern trotz, fast mag man sagen: gegen ihren Spitzenkandidaten Peter Harry Carstensen. Der hatte sich, vor allem, blamiert im Wahlkampf: zum Beispiel mit der Suche nach einem Heimchen für seinen Herd auf der ersten Seite der Bild-Zeitung und auch mit der Präsentation eines Schattenkabinetts, in dem erstens nur Männer auftauchten, die, zweitens, von dieser Ehre erst mal gar nichts wussten oder wissen wollten. In allen relevanten Fragen, also Kompetenz, Beliebtheit, Verständnis und Verbundenheit mit dem Land, lag er in den Umfragen weit hinter Heide Simonis. Die hat, wiederum, gar nicht mal so schlecht abgeschnitten, trotz ihrer, ja gegen ihre SPD, der die Wähler nach all den dahinregierten Jahren nur noch wenig zutrauten, wenn überhaupt etwas.

Was das zu bedeuten hat? Zum Beispiel nichts Gutes für einen wie Klaus Wowereit. Eine Opposition kann noch so unorganisiert sein, noch so kopflos wirken – wenn die Regierung nicht viel mehr zu bieten hat als einen gut angesehenen Unterhalter, wird es gefährlich für sie. Auch deshalb ist es verwegen, aus dem Wahlergebnis von Schleswig-Holstein Wegweisendes für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen und die Bundestagswahl im kommenden Jahr abzuleiten: Aber nicht nur deshalb. So mag sich die FDP weiterhin fragen, was es bringt, sich mal diesem anzubieten und mal jenem, so wie es ihr Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki im Wahlkampf tat. Die Liberalen, die sich kurz vor der Wahl plötzlich auch für ein Bündnis mit der SPD offen zeigten, haben jedenfalls unterm Strich Stimmen verloren. Anders die Grünen, trotz einer Affäre im Land im Zusammenhang mit Ausbrechern und einer im Bund im Zusammenhang mit Einwanderern. Das hat sie einerseits nicht unters Wasser gedrückt, anderseits aber womöglich doch wichtige Stimmen gekostet.

Was die Wahl im Norden auch gezeigt hat: Demokratie kann spannend sein – und sie leidet unter einer immer weiter sinkenden Beteiligung. Im Irak haben, teils unter Lebensgefahr, auch nicht viel weniger Menschen ihre Stimme abgegeben, prozentual gesehen. Lange werden wir uns diesen Enthaltungsluxus nicht leisten können, auch wenn er diesmal der NPD nicht viel brachte.

Für Angela Merkel ging es bei dieser Wahl allenfalls darum, einen weiteren Rückschlag zu vermeiden. Ihr Problem sind nicht die Möchtegern-Ministerpräsidenten in ihrer Partei, sondern die Möchtegern-Bundeskanzler, die schon Ministerpräsident sind. Die werden sich an die Fakten halten, zum Beispiel: Schleswig-Holstein ist ein kleines Land.

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