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Wohnen im Sozialstaat: Kommunen sollen bei Hartz IV über Mietkosten entscheiden

Wie viele Quadratmeter Wohnfläche stehen einem Hartz-IV-Empfänger zu? Das Arbeitsministerium will Städte und Gemeinden selbst beurteilen lassen, welche Wohnungsgröße sie für angemessen halten.

Berlin - Bis zu welcher Höhe wird seine Miete übernommen? Darüber sollen die Kommunen künftig selbstständig entscheiden können, wie ein Vorschlag des Bundesarbeitsministeriums vorsieht, der in den nächsten Wochen mit den Ländern und Kommunen beraten werden soll. Konkret regt das Ministerium an, dass die kreisfreien Städte und Gemeinden in Satzungen individuell festlegen können, welche Wohnungsgröße und welche Miethöhe angemessen sind.

Dabei sollen die Kommunen allerdings nicht willkürlich nach Kassenlage zahlen: Mit ihren jeweiligen Grenzwerten für die Mietkosten sollen sie sich nach dem örtlichen Mietspiegel richten. Wenn eine Wohnung teurer oder größer ist als in der kommunalen Satzung vorgesehen, sollen die Kommunen individuell prüfen, ob dies dennoch angemessen ist.

Eine bundesweite einheitliche Pauschale bei den Unterkunftskosten ist damit vom Tisch. Mit der geplanten Regelung sollen auch weiter die regional unterschiedlichen Miethöhen berücksichtigt werden. Es gebe schließlich einen Unterschied „zwischen München-Innenstadt und der Uckermark“, sagte ein Sprecher des Arbeitsministeriums. Ob sich dadurch auch Einsparungen für die Kommunen ergeben könnten, sei offen. Von den geplanten Änderungen verspreche man sich vor allem Vereinfachungen bei der Verwaltung. Die meisten Klagen gegen Hartz-IV-Bescheide, die derzeit vor den Sozialgerichten landen, beschäftigen sich mit den Miet- und Heizkosten.

Das Arbeitsministerium distanzierte sich aber von dem Vorschlag einer Expertengruppe, die eine Beschränkung des Wohnraums für Hartz-IV-Empfänger angeregt hatte. Eine Arbeitsgruppe der von der Bundesregierung eingesetzten Gemeindefinanzkommission hatte unter anderem vorgeschlagen, dass der gesetzliche Standard bei Wohnungen für alleinstehende Hartz-IV-Empfänger beispielsweise auf 25 Quadratmeter reduziert werden könne. Derzeit gilt ein Richtwert von 45 Quadratmetern. Dadurch könnten die stetig steigenden, größtenteils von den Kommunen zu tragenden Kosten der Unterkunft reduziert werden, heißt es in dem Zwischenbericht der Arbeitsgruppe „Standards“. Seit der Einführung von Hartz IV sind die Unterkunftskosten deutlich angestiegen: von 8,7 Milliarden Euro im Jahr 2005 auf voraussichtlich elf Milliarden Euro in diesem Jahr. Dies sei jedoch nicht der Vorschlag der Bundesregierung, stellte ein Ministeriumssprecher klar. Insgesamt hatte die Arbeitsgruppe 163 Einzelmaßnahmen aufgelistet, durch welche die Kommunen finanziell entlastet werden könnten.

Der Deutsche Städtetag bezeichnete die Ministeriumsvorschläge als diskussionswürdig. Es sei richtig, dass es keine bundesweite Pauschalierung der Unterkunftskosten geben solle, diese wäre wegen des sehr unterschiedlichen Mietniveaus in den Städten weder praktikabel noch sozial gerecht, sagte die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Städtetags, Monika Kuban, dem Tagesspiegel. Oberster Grundsatz müsse auch in Zukunft bleiben, den Hilfeempfängern angemessene Unterkunftskosten zu finanzieren, die den Bedarf und damit das Existenzminimum deckten – auch im Hinblick auf die Größe der Wohnung. Dass Umzüge in größerem Umfang stattfinden müssen, erwartet Kuban nicht. „Der Wohnungsmarkt ist in vielen Städten so eng, dass günstigere Wohnungen für Langzeitarbeitslose und andere Hilfeempfänger kaum vorhanden sind“, sagte sie weiter. Auch der Städte- und Gemeindebund erklärte sich grundsätzlich gesprächsbereit. Ein Sprecher zeigte sich jedoch skeptisch, dass es durch die Satzungsermächtigung für die Kommunen zu weniger juristischen Streitereien kommen werde.

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