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Politik: Wohnungssituation: Leerstand oder Notstand

Die ostdeutschen Plattenbauten sind nicht mehr viel wert. Nach den jüngsten Immobilienpleiten der Berliner Bankgesellschaft im Osten hat sich herumgesprochen, dass Erich Honeckers Wohnungsbauprogramm zunehmend eine Belastung ist.

Die ostdeutschen Plattenbauten sind nicht mehr viel wert. Nach den jüngsten Immobilienpleiten der Berliner Bankgesellschaft im Osten hat sich herumgesprochen, dass Erich Honeckers Wohnungsbauprogramm zunehmend eine Belastung ist. Vor Ort heißt das: Abrissbagger beseitigen leer stehende Bauten, manche Plattenbezirke in Hoyerswerda oder Schwedt wirken wie ausgestorben. Eine Million Wohnungen stehen im Osten leer. Kann man da noch von einer Wohnungsnot sprechen? Der Deutsche Mieterbund, der sich heute in Bielefeld zum 59. Mietertag trifft, sagt: Ja. In Großstädten wie München und Hamburg finden selbst Normalverdiener kaum noch eine Bleibe. Von Leerstand ist man hier weit entfernt.

Wegen der großen Unterschiede fordert der Mieterbund jetzt grundlegende Reformen bei der Wohnförderung. "Die bisherigen Instrumente gehören auf den Prüfstand", sagt Mieterbund-Präsidentin Anke Fuchs, "wir müssen da eingreifen, wo es sinnvoll ist." Die Unterstützung nach dem Gießkannenprinzip soll also der Vergangenheit angehören. Finanzminister Hans Eichel wird es gerne hören. Kann er jetzt zusätzliches Geld im Wohnungsbau einsparen? Fuchs will davon nichts wissen. Sie verlangt sogar eine Aufstockung der Finanzmittel, vor allem für den sozialen Wohnungsbau. Eine Milliarde Euro (knapp zwei Milliarden Mark) solle sich der Bund den Bau neuer Sozialwohnungen kosten lassen. Bisher sind nur 230 Millionen Euro (450 Millionen Mark) vorgesehen. Aus Sicht von Fuchs muss die Regierung aufpassen, "dass nicht der Nachholbedarf bei Investitionen so groß wird, dass der Nutzen dahinter verschwindet". Im Klartext: Irgendwann müsse Schluss sein mit dem Sparen. Dann sollten wieder mehr Wohnungen gebaut werden.

Doch der Neubau steht längst nicht mehr im Mittelpunkt rot-grüner Wohnungspolitik. In diesem Jahr sollen nur noch 115 000 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern gebaut werden, das ist der niedrigste Stand seit Ende der achtziger Jahre. Die Sanierung alter Wohnquartiere gewinnt an Wichtigkeit. Finanzminister Eichel stellte dafür sogar eine Milliarde Mark aus den Zinsersparnissen durch die Einnahmen aus der UMTS-Lizenz-Versteigerung zur Verfügung. Vermieter, die ihre Wohnungen energiesparend sanieren, erhalten nun günstige Darlehen.

Aber auch für die Mieter hatte die Bundesregierung Wohltaten übrig. So wurde Anfang des Jahres das Wohngeld erhöht. Berechtigte erhalten durchschnittlich 80 Mark mehr im Monat. Zudem erweiterte sich der Kreis der Wohngeldempfänger um 400 000 Haushalte. Das reformierte Mietrecht, das im September in Kraft tritt, bringt ebenfalls Vereinfachungen für viele Mieter. Fuchs bemängelt jedoch einige Schwachpunkte, etwa die Abschaffung des einfachen Zeitmietvertrags. Bislang konnte der Mieter nach Ablauf der Mietzeit ohne große Hindernisse eine Verlängerung fordern.

Für den Mieterbund bleibt weiterhin viel Arbeit. Aus Sicht des Verbands mangelt es vor allem an Geld. Die Forderungen klingen allerdings nicht neu. Das Wohngeld müsse an die Preissteigerungen angepasst werden, verlangt Fuchs, und der soziale Wohnungsbau dürfe nicht zu einer Veranstaltung für arme Leute werden. Beim Thema Leerstand im Osten hat auch der Mieterbund keine Patentrezepte zur Hand. Fuchs meint inzwischen: "Der Abriss darf kein Tabu sein."

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