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Politik: Wolfgang Berghofer: Vergangenheitsbewältigung

Er sei "virtueller Kandidat", sagt Wolfgang Berghofer selbst. Das "Phantom", nennen ihn andere.

Er sei "virtueller Kandidat", sagt Wolfgang Berghofer selbst. Das "Phantom", nennen ihn andere. Und doch hat Berghofer beste Aussichten, neuer Oberbürgermeister in Dresden zu werden. Berghofer war von 1986 bis 1990 schon einmal Stadtoberhaupt, damals noch mit SED-Parteiabzeichen am Revers. Schon länger liebäugelt er, inzwischen parteilos, mit einer Kandidatur für die am 10. Juni stattfindende Wahl. Die Chancen für den 57-Jährigen sind gestiegen, nachdem in dieser Woche der designierte Kandidat der Dresdner SPD, Karl Nolle, das Handtuch geworfen hat.

Der Plan, den einstigen SED-Reformer Berghofer wieder auf den OB-Stuhl zu hieven, ist nicht ganz neu. Dresden wird von dem CDU-Mann Herbert Wagner regiert, der jener einstigen bürgerbewegten "Gruppe der 20" entstammt. Die größte Stärke des immer etwas blutarm wirkenden Wagner ist die Schwäche seiner politischen Gegner.

Nun hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass nur ein Kandidat, der von SPD, PDS und Bündnisgrünen gemeinsam getragen wird, Wagner im Amt ablösen kann. Selbst die neue SPD-Landeschefin Constanze Krehl, der eine Oberbürgermeisterwahl in der Landeshauptstadt ohne eigenen SPD-Kandidat zunächst als unvorstellbar erschien, will eine Unterstützung Berghofers wegen dessen Erfolgsaussichten nicht mehr ausschließen - auch wenn dieser Schritt "eine Menge Konflikte in der Partei mit sich bringt". Eine Umfrage gibt Berghofer aber bereits einen knappen Vorsprung vor Amtsinhaber Wagner - Verlockung für die schwer angeschlagenen sächsischen Sozialdemokraten.

Der Ex-Oberbürgermeister fühlt sich durch die Geschichte ungerecht behandelt. Dem kürzlich erschienenen Tagebuch von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) ist zu entnehmen, dass Berghofer 1990 offensichtlich wegen seines Rufs als SED-Reformer damit rechnete, zunächst Oberbürgermeister zu bleiben, um dann Ministerpräsident in Sachsen zu werden. Das Urteil Biedenkopfs über den später wegen Fälschung der Kommunalwahlen 1989 verurteilten Berghofer fällt in jener Zeit ausnehmend freundlich aus: Der Ex-SED-Mann sei "persönlich sympathisch", findet Biedenkopf, habe politisches Talent.

Aus der Nach-Wende-Karriere des zum Wirtschaftsmann konvertierten Sozialisten wurde nichts. Derzeit schlägt er sich, in Berlin wohnend, als mehr oder weniger erfolgreicher Unternehmensberater durch. Durch die Straßen Dresdens flaniert Berghofer noch immer gern - erfreut, wenn ihn Dresdner erkennen und freundlich grüßen. Seine offizielle Erklärung zur Kandidatur zögert Berghofer ausgerechnet mit Blick auf die PDS hinaus: Er will alles vermeiden, um als Mann der Sozialisten zu erscheinen. Er selbst, der sich gern seiner Bekanntschaft zu VW-Chef Ferdinand Piech und anderen Wirtschaftsbossen brüstet, deutete an, keine linke Politik machen zu wollen.

Ralf Hübner

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