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Wolfgang Böhmer: "Zu DDR-Zeiten den Spielraum genutzt“

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer äußert sich zur Debatte über die Vergangenheit der Ost-CDU.

Muss sich die CDU schämen für die einstige Rolle der Blockpartei gleichen Namens in der DDR?



Das mag kein Ruhmesblatt gewesen sein. Aber weshalb soll man sich schämen? Wenn die DDR-CDU sich geweigert hätte, die führende Rolle der SED anzuerkennen, hätte sie nicht überlebt.

Warum tut sich die CDU so schwer mit der Aufarbeitung der Vergangenheit der Ost-CDU?

Wissenschaftlich ist dieses Thema aufgearbeitet. Es hat schon in den 90er Jahren dazu auch Stellungnahmen der CDU gegeben, die größtenteils in Thüringen ausgearbeitet worden waren. Es hat sich damals nur kaum jemand dafür interessiert. Das Problem ist jetzt aktuell geworden, weil in einem Positionspapier für den Stuttgarter Parteitag auf drei Seiten die Rolle der SPD zum Einigungsprozess beschrieben wurde und die Ost-CDU mit keinem einzigen Wort erwähnt wurde. Da haben wir gesagt: Das kann nicht sein. Man kann auf Geschichtsdarstellung verzichten. Aber wenn man es macht, dann muss es schon einigermaßen ehrlich und ausgewogen sein. Und das wird auch geschehen.

Wenn Sie die Passage formulieren sollten, was würden Sie hineinschreiben – kurz gefasst?

Kurz fassen kann man das nicht. Das ist eine sehr ambivalente Darstellung. Da muss man zunächst einmal die Sachzwänge zur Kenntnis nehmen: Dass nur Parteien weiter existieren durften, die die führende Rolle der SED anerkannten und bereit waren, in der Nationalen Front mitzuarbeiten. Das war schmerzhaft. Manche sind ausgetreten, viele sind, solange es möglich war, in den Westen gegangen. Aber eine andere Wahl gab es nicht. Die, die geblieben sind, haben ihre Rolle unterschiedlich ausgefüllt: Manche wollten ganz oben dabei sein und Privilegien abbekommen. Aber viele haben auf der Orts-, Kreis- und auch auf der Bezirksebene versucht, durch vernünftige Gespräche das eine oder andere zu entschärfen. Mir ist häufig berichtet worden, dass das nur so lange ging, solange sich die CDU nicht ihrer Leistungen rühmte.

Sie sind 1990 in die CDU eingetreten. Warum nicht in früheren DDR-Zeiten?

Weil ich keinen Sachdruck hatte. Wenn ich im staatlichen Gesundheitswesen tätig gewesen wäre und dauernd hätte erklären müssen, warum ich noch nicht Mitglied der SED bin, wäre ich in die CDU gegangen. Ich hatte mich sogar schon erkundigt, was man da machen muss. Aber da ich Gelegenheit hatte, in einem kirchlichen Krankenhaus zu arbeiten, hatte ich es nicht nötig. Aus reiner Begeisterung hätte ich es nicht getan.

Sie selbst haben Ihren CDU-Beitritt einmal damit begründet, die Blockpartei habe Ihrem Sohn geholfen, nach einer politischen Verfehlung ein Studium fortführen zu können. War die Partei also doch nicht nur der Erfüllungsgehilfe der SED?

Nein. Sie hat versucht, in dem Maße, in dem sie Freiraum hatte, das eine oder andere zu korrigieren. Das war wenig, aber sie hat diesen Spielraum genutzt.

Vielen Ihrer Parteifreunde aus dem Osten wird vorgeworfen, mit denen, die sie seit Jahren als rote Socken beschimpfen, zu DDR-Zeiten durchaus geschmeidig zusammengearbeitet zu haben.

Das wird sicherlich auf Einzelfälle zutreffen. Aber diese Zusammenarbeit war nicht auf Überzeugung gegründet, sondern der Not gehorchend, um überhaupt noch gehört zu werden und mitmachen zu können.

Die SPD verweist gern darauf, dass auch heute auf kommunaler Ebene Kooperationen zwischen der CDU und der Linkspartei durchaus keine Seltenheit sind, und sie nennt das Verhalten der CDU dann Heuchelei.


Das ist typische Parteipolemik. Die Zusammenarbeit auf der kommunalen Ebene ist in den wenigsten Fällen parteipolitisch, weil dort ganz pragmatische Sachentscheidungen getroffen werden müssen. Die Verkehrsanbindung eines Gewerbegebietes etwa reicht doch nicht in die Grundsätze der Parteipolitik hinein. Und wenn dann mal CDU und Linkspartei oder SPD und Linkspartei zusammen stimmen, dann ist das keine politische Zusammenarbeit. Es macht doch keinen Sinn, wenn die CDU zur Behauptung der Linkspartei, zwei plus zwei ist vier, sagen würde: Ihr könntet ja recht haben, aber weil ihr es sagt, ist es falsch.

Der Umgang des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich mit seiner Biografie lässt darauf schließen, dass es, vorsichtig ausgedrückt, Befangenheiten gibt, zum eigenen Lebensweg als Blockpartei- Mitglied zu stehen. Können Sie das nachvollziehen?


Ich würde von niemandem verlangen, dass er mehr von sich offenbart, als das, wozu er befragt wird. Ich habe nie davon gehört, dass Tillich Fragen, die ihm gestellt wurden, wahrheitswidrig beantwortet hätte. Es kann nicht sein, dass wir, nur weil wir in der DDR gelebt haben, jedem ungefragt unsere Biografie servieren müssen.

Die CDU hat mit der Rote-Socken-Kampagne vorgelegt, jetzt kontern die anderen mit der Blockpartei-Vergangenheit. Wird die DDR-Aufarbeitung im Jahr 2009 zum Wahlkampfthema – ausgerechnet im Umfeld des 20. Jahrestages der friedlichen Revolution?

Ich würde es deplatziert finden. Das würde niemandem nutzen – und es interessiert kaum noch jemanden. Mit Rote-Socken-Kampagnen können Sie heute vielleicht noch in Bayern oder Hessen jemanden erreichen, aber nicht in den neuen Bundesländern.

Das Gespräch führte Matthias Schlegel.

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