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Bosbach bekräftigte, gerade bei den Ermittlungen im Fall NSU wäre die Vorratsdatenspeicherung von „überragender Bedeutung“ gewesen.

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Wolfgang Bosbach: Wir wissen zu wenig über die Nazizelle

Wolfgang Bosbach kritisiert, dass der Bund immer noch zu wenig über die Nazizelle NSU weiß. Die Koalition streitet weiterhin über die Vorratsdatenspeicherung.

Von Maris Hubschmid

Der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags, Wolfgang Bosbach, sieht im Fall der Zwickauer Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) noch erheblichen Aufklärungsbedarf. „So wie es aussieht, wird es wohl noch sehr lange dauern, bis feststeht, wie weit das Netzwerk der Gruppierung NSU reicht“, sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel. Man werde mit Mitarbeitern sprechen müssen, die gar nicht mehr im Dienst sind, um herauszufinden, ob das mörderische Treiben früher hätte entdeckt werden können.

Derweil wächst die Kritik am Vorgehen im Kampf gegen den Rechtsextremismus. Knapp zwei Monate, nachdem die Serie ausländerfeindlich motivierter Morde der NSU bekannt wurde, sagte Dieter Graumann, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, dem Tagesspiegel: „Die Ermittler scheinen in eine Art Winterschlaf versunken zu sein.“ Sie hätten „schon ein ganzes Jahrzehnt gepennt, und noch immer tappen wir vollkommen im Dunkeln. Das ist ein Desaster“, sagte Graumann.

Der Linken-Rechtsexperte Wolfgang Neskovic nannte es „beschämend, wie sehr sich SPD und CDU der Pflicht zur zügigen Aufklärung entziehen“.
Der Linken-Rechtsexperte Wolfgang Neskovic nannte es „beschämend, wie sehr sich SPD und CDU der Pflicht zur zügigen Aufklärung entziehen“.

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Der Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, erklärte, für den Kampf gegen Neonazis sei mehr Geld notwendig. Der Linken-Rechtsexperte Wolfgang Neskovic nannte es „beschämend, wie sehr sich SPD und CDU der Pflicht zur zügigen Aufklärung entziehen“.

Dringend geklärt werden muss nach Meinung der Kritiker vor allem, ob es Versäumnisse aufseiten des Verfassungsschutzes gegeben hat. „Wir wollen wissen, ob die Behörden auf dem rechten Auge blind gewesen sind“, sagte der Vizepräsident des Deutschen Bundestags, Wolfgang Thierse (SPD), dieser Zeitung. Erst, wenn darüber Gewissheit bestehe, könne angemessen über Konsequenzen diskutiert werden.

Im Zuge der Debatte ist auch der koalitionsinterne Streit über die Vorratsdatenspeicherung neu entbrannt. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wehrt sich nach wie vor gegen eine EU-Richtlinie, die das anlasslose Speichern privater Daten verlangt. Weil die Beschlüsse bislang nicht umgesetzt werden, droht Deutschland eine Millionenstrafe. Die von der EU gesetzte Frist zur Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung war am Dienstag abgelaufen. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) nannte das Verhalten der Justizministerin „absolut säumig“. „Wir haben große Probleme, bei Schwerkriminalität erfolgreich zu sein. Ich wäre sehr froh, wenn wir sechs Monate speichern könnten“, sagte Schünemann dem NDR. Den Kompromissvorschlag der FDP-Politikerin, Daten lediglich zwei Wochen lang zu speichern, bezeichnete er als „echte Provokation“.

Bosbach bekräftigte, gerade bei den Ermittlungen im Fall NSU wäre die Vorratsdatenspeicherung von „überragender Bedeutung“ gewesen. Das sieht Thierse anders. „Hier wird absichtlich der falsche Eindruck erweckt, dass die Vorratsdatenspeicherung das entscheidende Instrument zur Bekämpfung rechtsterroristischer Gewalt ist“, sagte der SPD-Politiker. Die Taten der Zwickauer Zelle lägen so lange zurück, dass Daten auch nach den von der EU festgesetzten Fristen heute nicht mehr einsehbar wären. (mit dapd)

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