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Politik: Wollen schon, können nicht

Kommunen weisen Münteferings Forderung zurück, sie sollten mehr für neue Jobs investieren

Berlin - Die Kommunen, meint SPD-Chef Franz Müntefering, könnten ruhig etwas mehr tun zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Durch die Politik von Rot-Grün stünden ihnen mehr Mittel bereit: höhere Gewerbesteuereinnahmen, der Bundeszuschuss zur Ganztagsbetreuung von Kindern, Einsparungen bei der Sozialhilfe dank Hartz IV. Das Volumen laut Müntefering: 7,5 Milliarden Euro im Jahr. In der „Westfälischen Rundschau“ forderte er daher, die Kommunen sollten „nicht jeden Euro zur Schuldentilgung einsetzen. Nur so können neue Arbeitsplätze geschaffen werden.“

Bei den Kommunen kommt Münteferings Forderung nicht gut an. „Die Aussagen des SPD-Vorsitzenden beruhen auf falschen Vorstellungen zur kommunalen Finanzlage“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages, Hans-Günter Henneke, dem Tagesspiegel. Die Finanzkrise bei Städte, Gemeinden und Kreisen dauere trotz der Entlastung bei der Gewerbesteuerumlage an. „In Anbetracht dessen ist es unmöglich, mehr zu investieren“, so Henneke.

Skeptisch ist auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Stephan Articus. „Die Städte, die finanziell dazu in der Lage sind, investieren bereits wieder verstärkt. In zahlreichen Städten sind die Defizite trotz der positiven Entwicklungen bei der Gewerbesteuer jedoch nach wie vor so groß, dass sie noch weit davon entfernt sind, zusätzliche Einnahmen für Investitionen verplanen zu können“, sagte er dem Tagesspiegel. Articus verweist auf das kommunale Haushaltsrecht: „Das verpflichtet die Kommunen, verbesserte Einnahmen zur Reduzierung ihrer Defizite und zur Tilgung von Schulden und Kassenkrediten zu nutzen, mit denen sie seit Jahren laufende Ausgaben in ihren Verwaltungshaushalten finanzieren müssen.“

Für die kommunalen Spitzenvertreter geht es daher zurzeit gar nicht um die von Müntefering dargestellte Alternative, entweder mehr zu investieren oder die Schulden zu tilgen. Das Hauptproblem der Kommunen ist, überhaupt erst einmal die notorischen Defizite in den Etats zurückzuführen. Diese werden nicht zuletzt über jene kurzfristigen Kassenkredite gedeckt, die eigentlich nur dazu gedacht sind, zeitweilige Engpässe in den Haushalten zu überbrücken. Mittlerweile ist dies aber zu einem Dauerinstrument geworden. Der Grund: Die Einnahmen decken die Ausgaben nicht. Laut Henneke ist das schon bei der Hälfte der Landkreise der Fall. Allein bei den Landkreisen hätten die Kassenkredite daher 2004 den „Besorgnis erregenden Höchststand von 3,1 Milliarden Euro“ erreicht. Für 2005 sei mit einer Rekordsumme von fünf Milliarden zu rechnen. Nach Angaben des Städtetags lagen die Kassenkredite in allen Kommunalbereichen vor zehn Jahren noch bei gut einer Milliarde Euro, Anfang 2001 waren es schon 7,2 Milliarden. Ende 2004 seien sie auf einen „traurigen Rekordstand“ von 20,2 Milliarden Euro gestiegen.

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