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Politik: Woodstock an der Spree?

Die Grünen debattieren auf einem Zukunftskongress in Berlin über das künftige Profil der Partei

Von Hans Monath

Berlin - Die Parteichefin wählte einen sehr großen Vergleich: „Es war ein Theorie-Woodstock mit praktischen Ergebnissen“, verkündete Claudia Roth zum Abschluss des Zukunftskongresses ihrer Partei im Energieforum in Berlin. Von dem Rockfestival im amerikanischen Woodstock war 1969 ein Aufbruchsignal für eine ganze Generation ausgegangen, ein Anspruch, den die Grünen bei nüchterner Betrachtung wohl nicht an die von ihnen organisierte dreitägige Marathondebatte stellen würden, die fast 2000 Teilnehmer nach Friedrichshain ans Spreeufer lockte.

Roths Überschwang kam offensichtlich daher, dass die Grünen-Politikerin alle Ziele für erfüllt ansah, die die Parteiführung zuvor für das Treffen ausgegeben hatte. Danach sollte die Abfolge von Podiumsdebatten und Dutzenden von Workshops vor allem beweisen, dass die Grünen auch nach sieben Regierungsjahren, die ihnen schmerzhafte Kompromisse abverlangt hatten, noch immer die wichtigsten gesellschaftlichen Probleme identifizieren, lebendig diskutieren und Anstöße geben.

Eindeutige Antworten auf die von dem Umweltpolitiker Reinhard Loske aufgeworfenen Forderungen, die Ökologie wieder als Alleinstellungsmerkmal der Grünen ganz in den Mittelpunkt zu stellen und auch schmerzliche, radikalere Forderungen zu vertreten, konnte der Kongress nicht geben, da in Berlin keine Beschlüsse gefasst wurden. Die Breite der Themen und das große Interesse der Teilnehmer auch an ökonomischen und sozialstaatlichen Debatten sprechen aber eher dafür, dass sich die Parteiführung mit ihrer Linie durchsetzt, neben den klassischen Grünen-Themen wie Ökologie, Bürgerrechte und Minderheitenschutz auch die Bildungs-, Kinder- und Wirtschaftspolitik als tragende Säulen grüner Politik zu etablieren. So war der Workshop über die in der Partei heftig debattierte soziale Grundsicherung mit 200 Teilnehmern der am besten besuchte. Dass die Partei in der Umweltpolitik weiter Vorreiter sein will, machte Fritz Kuhn mit Thesen gegen den Klimawandel deutlich. „Wir produzieren falsch, wir bauen falsch und wohnen falsch, wir bewegen uns falsch, und wir ernähren uns falsch“, warnte der Fraktionschef.

Die Diskussion über mögliche Koalitionspartner der Grünen, die auf der Klausurtagung der Bundestagsfraktion vergangene Woche ausführlich und kontrovers geführt worden war, spielte in den Debattenforen in Berlin fast keine Rolle. Allerdings verärgerte der hessische Grünen-Landeschef Matthias Berninger mit seiner per Interview verbreiteten Forderung nach Offenheit gegenüber Dreierbündnissen mit der FDP die eigene Partei- und Fraktionsspitze. Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke forderte ihn denn auch auf, sich lieber an den Debatten zu beteiligen, „als ständig den Bettvorleger für Guido Westerwelle auszurollen“.

Angesichts von Umfragewerten um die 15 Prozent für die Berliner Grünen rechnet sich die Partei gute Chancen aus, nach den Abgeordnetenhaus-Wahlen am 17. September erstmals nach 2005 wieder in eine Landesregierung einzuziehen. Berliner Grüne äußerten auch die Hoffnung, dass ihnen die Botschaft des Kongresses im Wahlkampf helfen werde.

Folgenlos soll das Treffen nach dem Willen der Parteispitze nicht bleiben. Die Anstöße sollen beim Bundesparteitag im Dezember in Beschlüsse gegossen werden. Die Debatte werde weitergehen, der Parteitag werde „zeigen, ob das, was wir hier gemacht haben, eine Bedeutung hat und trägt“, kündigte Parteichef Reinhard Bütikofer an. Zweifel, ob sie diese Prüfung bestehen können, sind bei den Grünen im Moment nicht verbreitet.

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