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Wulff

© dpa

Wulff: Missbilligung für einen Abwesenden

Christian Wulffs Andeutungen über ein Ende der großen Koalition ärgern das CDU-Präsidium. Will der Niedersachse damit eine Lücke füllen, falls die Kanzlerin mal strauchelt?

Von Robert Birnbaum

Berlin - Angela Merkel kann ziemlich spitz werden, wenn sie sich ärgert. Und die CDU-Chefin hat sich geärgert über ihren Stellvertreter aus Hannover. Ein ganzes Wochenende lang ist Christian Wulff in den Nachrichten zitiert worden mit einem zweideutigen Interviewsatz. Wenn sich die SPD-Frau Andrea Ypsilanti in Hessen von der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen lassen würde, so Wulff in der „Bild am Sonntag“, hätte das schwerwiegende Folgen: „Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in der großen Koalition kann ich mir so nicht vorstellen.“ Man darf Wulff getrost unterstellen, dass er wusste, wie der Satz prompt gedeutet wurde: als Aufruf, im Fall des Falles die Koalition platzen zu lassen. Ein Aufruf, der der Kanzlerin Merkel so ganz und gar nicht passt.

Am Montag im CDU-Präsidium hat sie ihre Missbilligung deutlich gemacht. Natürlich wäre es auch für das Bündnis in Berlin nicht direkt vertrauensbildend, wenn die Hessen-SPD sich mit der Linken verbündete, befand die Kanzlerin. Aber: „Wir dürfen diese Diskussion nicht so führen, dass sie zur Diskussion über die große Koalition wird.“ Auch Roland Koch sei nicht damit geholfen, wenn die öffentliche Aufmerksamkeit von der SPD abgelenkt werde.

Das galt nicht allein Wulff, sondern auch seinem Saar-Kollegen Peter Müller, der seit geraumer Zeit mit der Formel durch das Land zieht, wenn die große Koalition nichts mehr hinkriege, müsse man sie eben beenden. Müller hat in einem Jahr Landtagswahlen. Ihm käme der große Knall recht. Er hat in der Aussprache geschwiegen, die Generalsekretär Ronald Pofalla später so zusammenfasste, dass die CDU sich ihrer Verantwortung in der Regierung stellen werde und dass das CDU-Präsidium dies „ohne jeden Meinungsunterschied“ genauso sehe.

Wulff konnte nichts sagen, weil er nämlich nicht da war. Dafür hat er sich vorher noch mal per Bayerischen Rundfunk zu Wort gemeldet – diesmal ohne irgendwelche Andeutungen über Koalitionsbrüche, dafür um so krachlederner. „Wenn das in Hessen passiert, ist der Richtungswahlkampf eröffnet, und dann muss es richtig zur Sache gehen!“, dröhnte der Niedersachse. Das sei auch in Richtung der eigenen Partei zu verstehen: Die Union sei immer dann erfolgreich gewesen, „wenn sie kämpferisch war“.

Solche Sätze dürften Merkel schon wieder geärgert haben. Schließlich hat sie sich fürs nächste Jahr gerade keinen Wahlkampf vorgenommen, der auf Polarisierung setzt, sondern eher einen zum Wohlfühlen. Merkel habe ja nicht umsonst drei Jahre darauf verwendet, ihr Maggie- Thatcher-Image aus dem Wahlkampf 2005 abzulegen und „weiche“ Themen wie Familie und Bildung nach vorne zu stellen, sagen Leute, die mit den Vorplanungen für 2009 vertraut sind: „Wir machen doch keine Rote-Socken-Kampagne!“

Wulff hat die übrigens ebenfalls nicht gemacht, als er zu Jahresanfang selbst im Landtagswahlkampf stand. Es glaubt ja auch niemand, dass sein Rezept ernst gemeint ist. So wenig, wie es irgend jemand in der CDU-Führung für bare Münze genommen hat, als Wulff neulich per Interview verkündete, den Job als Kanzler traue er sich gar nicht zu. Wieso er denn dann den Landesparteivorsitz an David McAllister abgegeben und angekündigt habe, er wolle sich mehr um Berlin kümmern, hat damals ein Präsidiumskollege gehöhnt: „Uns hat er vorher erzählt, er will sich mehr um die Familie kümmern!“

Tatsächlich spekuliert Wulff erkennbar auf längere Sicht und à la baisse. So lange Merkel Erfolg hat, kann der Niedersachse ihr nichts. Wenn sie ins Wanken gerät, will er bereitstehen – was auch immer dann gerade in Reichweite ist; Parteichef zum Beispiel. Wulff, hat mal einer gesagt, der ihn ganz gut kennt, wolle „eine Lücke füllen, die es noch gar nicht gibt“. Das könnte auch den plötzlichen Radau-Ton aus Hannover erklärten. Der Lückenfüller kann ein etwas konservativ-kantigeres Profil gut gebrauchen.

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