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In aller Öffentlichkeit. Mit dem Vorwurf der Vorteilsannahme muss sich der frühere Bundespräsident Christian Wulff demnächst vor Gericht auseinandersetzen.

© dpa

Wulff-Prozess: „Das Ergebnis heißt Freispruch“

Hat sich Christian Wulff einen Vorteil verschafft? Ein Gericht wird den Vorwurf prüfen. Der ehemalige Bundespräsident sieht sich im Recht.

Der Beschluss kommt am Dienstag um 9 Uhr 18 per Fax. Auf 14 Seiten teilt darin das Landgericht Hannover den Strafverteidigern von Christian Wulff mit, dass es das Hauptverfahren gegen den ehemaligen Bundespräsidenten wegen Vorteilsannahme eröffnet hat. Dass sich der 54-Jährige nun in einem öffentlichen Prozess – voraussichtlich ab 1. November – für seinen Oktoberfestbesuch 2008 in München als niedersächsischer Ministerpräsident auf Kosten des Filmunternehmers David Groenewold verantworten soll.

„Ärgerlich“ habe Wulff reagiert, berichtet sein Rechtsanwalt Michael Nagel zweieinhalb Stunden später. Ärgerlich vor allem deshalb, weil gewisse Einzelheiten schon vorher an einige Medien durchgestochen worden und wieder einmal seine Persönlichkeitsrechte verletzt worden seien. Ansonsten habe der „Herr Bundespräsident a. D.“ seine volle Rehabilitation fest im Blick. „Unser Mandant hat immer noch den Glauben an den Rechtsstaat“, meint Koverteidiger Bernd Müssig. Dem Prozess sehe Wulff gelassen entgegen. „Dort gibt es nur ein Ergebnis, und das heißt Freispruch.“

Die Zulassung der Anklage bezeichnen die Anwälte als „Normalfall“ und sprechen gleichzeitig von einem „weiteren Teilerfolg“. Denn die Zweite Große Strafkammer hat die Anklage der Staatsanwaltschaft Hannover reduziert – von der härter zu bestrafenden Bestechlichkeit nach Paragraf 332 Strafgesetzbuch auf Vorteilsannahme (Paragraf 331 StGB) bei Wulff, von Bestechung auf Vorteilsgewährung bei Groenewold.

Offenbar sehen die Richter um den erfahrenen und als besonnen geltenden Vorsitzenden, den 54 Jahre alten Frank Rosenow keine greifbaren Hinweise auf eine Verletzung der Dienstpflichten durch den damaligen Ministerpräsidenten, sondern „nur“ den Anschein einer gewissen Käuflichkeit Wulffs. So bezeichnet die Strafkammer selbst den Vorgang in ihrem Eröffnungsbeschluss als einen „Grenzfall“. Die Staatsanwaltschaft hatte dagegen noch einen illegalen Zusammenhang zwischen der Übernahme der Kosten für eine Hotelübernachtung im „Bayrischen Hof“ sowie der Bewirtung in einem Festzelt durch Groenewold und Wulffs späterem Werben bei Siemens-Chef Peter Löscher für ein Filmprojekt des Unternehmers hergestellt.

Ein Vorteil von 750 Euro zugunsten Wulffs bei dessen München-Besuch steht damit noch vor Gericht zur Debatte. Die Ermittlungen wegen der zahlreichen anderen Affären, die am 17. Februar 2012 zum Rücktritt des Bundespräsidenten führten, hat die Staatsanwaltschaft längst eingestellt oder gar nicht erst aufgenommen. Da ging es unter anderem um die Flitterwochen des Ehepaares Wulff im italienischen Feriendomizil eines Versicherungschefs, um einen Kurzurlaub auf Sylt, angeblich auch auf Groenewolds Kosten, und um vermeintliche Zinsvorteile für Wulffs Hauskauf-Kredit. „Die Vorwürfe wegen des Oktoberfestbesuchs werden sich ebenfalls als haltlos erweisen“, gibt sich Rechtsanwalt Nagel nun überzeugt.

So scheinen denn weitere Versuche unwahrscheinlich, das Verfahren durch eine Einstellung gegen eine Geldauflage geräuschlos zu erledigen. Bereits im vergangenen April hatte der ehemalige Bundespräsident das Angebot der Staatsanwaltschaft, sich einen öffentlichen Prozess durch die Zahlung von 20 000 Euro zu ersparen, kämpferisch abgelehnt. Jetzt wollen offenbar auch die Ankläger nicht mehr. „Wir sind nicht darauf aus, noch mal über eine Einstellung zu reden“, betont Staatsanwältin Karin Söfker im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Trotz der Abmilderung der Anklage fühle man sich bestätigt; schließlich erachte das Gericht den eigentlichen Akt der Korruption durch die Groenewold-Einladung als gegeben. Die Kammer komme lediglich bei den rechtlichen Konsequenzen vorerst zu einem anderen Schluss, argumentiert Karin Söfker. Eine spätere Heraufstufung – also eine erneute Aufnahme des Vorwurfs der Bestechlichkeit – sei nach einer Beweisaufnahme nicht ausgeschlossen, sagt sie.

Und noch einen kleinen Triumph feiert die Staatsanwaltschaft, die sich wegen des mageren Ergebnisses nach den teuren und langwierigen Ermittlungen mit rund 100 Zeugenvernehmungen erheblicher Kritik ausgesetzt sah. Auch die Anklage gegen Groenewold wegen einer falschen eidesstattlichen Versicherung hat das Gericht zugelassen. Der Filmunternehmer soll darin wahrheitswidrig behauptet haben, dass Wulff von der Übernahme der Hotelkosten nichts gewusst habe.

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