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Politik: Wulffs banger Blick nach Wolfsburg

Mitte 2007 könnte das VW-Gesetz durch die EU gekippt werden – keine angenehme Aussicht zum Auftakt des Wahlkampfes

Das größte Problem von Christian Wulff ist die Schwäche der Opposition. Denn in Niedersachsen mag in diesen Wochen kaum jemand darauf wetten, dass es dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Jüttner gelingen könnte, bei der Landtagswahl in gut einem Jahr CDU und FDP in der Regierungsverantwortung abzulösen. Manche Umfragen sehen sogar im SPD-Lager eine höhere Popularität für den christdemokratischen Amtsinhaber als für Jüttner. Wulff gilt allgemein als beliebt in Niedersachsen, er ist bürgernah und tritt einigermaßen bescheiden auf.

Trotzdem ist die Landtagswahl alles andere als ein Selbstläufer für CDU und FDP. 2003 hatten sie beide einen überragenden Sieg gefeiert und die SPD nach 13 Regierungsjahren in die Opposition geschickt. Damals allerdings war das Ansehen der SPD bundesweit auf einem Tiefpunkt gewesen. Kanzler Gerhard Schröder hatte zudem die Wahlkampfstrategie von Ministerpräsident Sigmar Gabriel durchkreuzt, als er sich offen gegen die von Gabriel geforderte Wiedereinführung der Vermögensteuer stellte. Noch ein halbes Jahr vor der Landtagswahl galt die SPD damals als Favorit, solch ungünstige Entwicklungen hatten dann die Stimmung schnell drehen lassen. Diesmal könnte Wulff Leidtragender einer Stimmungswende werden – denn die Bundesregierung wird jetzt von einer Christdemokratin geführt.

Der Wulff-Sieg von 2003 hat viele in der CDU vergessen lassen, dass Niedersachsen ein eher sozialdemokratisches Terrain gewesen ist. In den 60 Jahren seit der Landesgründung 1946 hat die SPD fast 40 Jahre regiert und sechs Ministerpräsidenten gestellt, die CDU nur deren zwei. Die Stärke der SPD zeigte sich zuletzt wieder bei der Bundestagswahl 2005, als die Sozialdemokraten landesweit deutlich vor der CDU lagen. Die Kommunalwahl vor wenigen Monaten hat dieses Bild zwar wieder relativiert, die CDU war klar in Führung – aber es gibt einige Entwicklungen, die bei den Christdemokraten mit Sorge gesehen werden. So hat die SPD in den vergangenen Jahren ein gutes Händchen bei der Personalauswahl bewiesen, wenn es um die Kandidaturen für Bürgermeister- und Landratsposten ging. Auch in Gegenden, die für die CDU als absolut sicher galten, siegten Sozialdemokraten.

Das ist nur die eine Seite, die andere sind objektive Probleme, die sich Wulff in den nächsten Monaten massiv stellen. Die Erfolge seiner Politik sind unbestreitbar – er hat die Summe der neuen Schulden beständig vermindert, mit seiner Sparpolitik Stärke bewiesen und bei der Verwaltungsreform gegen viele Widerstände den Behördenwirrwarr gelichtet. Aber ein Thema entzieht sich weitgehend seiner Kontrolle, weil mächtige Wirtschaftsinteressen am Werke sind. Es geht um die Zukunft von Volkswagen, einem Unternehmen, das noch zu 20 Prozent Niedersachsen gehört. Die Werke in Wolfsburg, Hannover, Braunschweig, Emden und Salzgitter sind das Rückgrat der niedersächsischen Wirtschaft. Seit Jahren kursiert in Niedersachsen der Spruch: Wenn Volkswagen Schnupfen hat, bekommt Niedersachsen Grippe.

2007 ist aber für VW ein entscheidendes Jahr. Im Sommer wird möglicherweise vor dem EU-Gerichtshof das VW- Gesetz fallen, das Niedersachsen einen entscheidenden Einfluss auf das Unternehmen sichert. Wenn das Land danach keine Sperrminorität mehr ausüben kann, könnten auch Werkstandorte in Niedersachsen gefährdet sein. Vor allem der größte VW-Anteilseigner Porsche, der knapp 30 Prozent an VW hält, würde damit an Macht gewinnen – und damit auch VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch, einer der Porsche-Hauptaktionäre. Piëchs Verhältnis zu Wulff gilt seit langem als gespannt.

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