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Politik: Wulffs Wahrheiten

Niedersachsens neuer Ministerpräsident kündigt deutliche Einschnitte und sogar Entlassungen im Landesdienst an

In großen Momenten ist Bescheidenheit die beste Übung. Christian Wulff, der neue niedersächsische Ministerpräsident, hielt sich am Dienstag an diesen Grundsatz. Es war sein großer Tag, die Wahl zum Ministerpräsidenten im Landtag und der Einzug in die Staatskanzlei. Sachlich-nüchtern trug er die Regierungserklärung vor. Keine überschwänglichen Gesten, keine waghalsigen Versprechungen und keine Angriffe auf den politischen Gegner. Aber dann doch in manchen Punkten sehr konkrete Ansagen – zur Überraschung vieler.

Denn Wulff hatte seit seinem Wahlsieg am 2. Februar das große Miteinander gepredigt. Auch am Dienstag betonte er, auf die Gewerkschaften zugehen zu wollen, mit den verschiedenen Gruppen zu reden, auszugleichen und um die besten Lösungen zu ringen. Mancher in der CDU war schon nachdenklich geworden angesichts der weit ausgebreiteten Arme Wulffs. Wird der Regierungschef vor lauter Dialogbereitschaft noch kraftvoll entscheiden können? Wird er Kürzungen von Zuschüssen an Kommunen erreichen können, wenn seine Regierung den Kommunalverbänden jetzt sogar ein Vetorecht bei sie betreffenden Vorhaben einräumen will? Lässt sich die Verwaltungsreform umsetzen, wenn der Ministerpräsident so die Nähe zur Gewerkschaft Verdi sucht?

Doch Wulff setzte klare und deutliche Akzente. Sein Kernsatz lautet: „Niedersachsen muss generalüberholt werden.“ Die Wirtschaftslage sei verheerend, die Staatsfinanzen seien zerrüttet und die Personalkosten stiegen. „Die Stimmung ist niedergeschlagen“, stellte Wulff fest. Die „gefühlte Lage“ im Lande sei überdies noch schlechter als die tatsächliche Lage. Niedersachsen brauche einfach ein besseres Image.

„Wir müssen alle irgendwie sinnvollen Möglichkeiten nutzen, Einnahmen zu erzielen“, hob Wulff in seiner Ansprache vor dem Landtag hervor. Vermögensverkäufe seien denkbar, Ausgabenkürzungen auch – nur Steuererhöhungen nicht. Die Regierung werde „alles auf den Prüfstand stellen“ – die personelle Ausstattung der Behörden, die Ausgaben, Subventionen und Zuwendungen. Die Bezirksregierungen würden abgeschafft, in Hannover sei das Nebeneinander von Landeshauptstadt und Region „schlichtweg nicht mehr bezahlbar“. Wulff verschwieg auch nicht, dass auf Mitarbeiter im öffentlichen Dienst harte Zeiten zukommen. 6000 Stellen von Mitarbeitern des Landes wolle die Regierung in den kommenden fünf Jahren streichen. Weil aber weniger Bedienstete altersbedingt ausscheiden und Schulen und Polizei ausgenommen sind, reiche das Kürzen einer Stelle nach der Pensionierung des Stelleninhabers nicht aus. Also doch betriebsbedingte Kündigungen? Wulff wurde an diesem Punkt nicht konkreter, versprach aber, „sozialverträglich“ vorgehen zu wollen. Es werde gemeinsame Behörden mit anderen Ländern geben, manche Aufgaben könnten an die Kommunen abgegeben werden, auch Privatisierungen seien denkbar.

Der finanzpolitische Teil nahm in Wulffs Erklärung so breiten Raum ein, dass auf den Fluren im Landtag hinterher schon von einer „Blut-, Schweiß- und Tränenrede“ gesprochen wurde. „Der Staat kann es nicht allein“, hob Wulff hervor. Weil die Regierungserklärung nicht eben nur die erste Rede eines neuen Ministerpräsidenten ist, sondern ein Handlungsauftrag an die Bürokratie, wirkten zwei von Wulffs neuen Ministern nach dieser Ansprache besonders zufrieden: Innenminister Uwe Schünemann und Finanzminister Hartmut Möllring. Sie sollen mit der Verwaltungsreform die Staatsfinanzen wieder ins Lot zu bringen. Von Wulff haben sie volle Rückendeckung.

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