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Politik: Zahme Töne

Hisbollah-Chef Nasrallah gibt Fehler zu – und im Libanon wird Kritik am Vorgehen der Organisation laut

Das Eingeständnis des Hisbollah-Führers Hassan Nasrallah, er hätte die zwei israelischen Soldaten nicht entführen lassen, wenn er die Wucht der israelischen Antwort gekannt hätte, hat Erstaunen ausgelöst. Der Kommentator der israelischen Tageszeitung „Haaretz“, Danny Rubinstein, reagierte ironisch: Bis zu Nasrallahs Rede am Sonntag habe er gerätselt, wer denn nun als Sieger aus diesem Krieg hervorgegangen sei, sagte er bei einer Diskussion in Jerusalem am Montag. Wenn die Hisbollah Fehleinschätzungen einräumt, dann müsse im Umkehrschluss wohl der israelische Regierungschef Ehud Olmert als Sieger angesehen werden. So hat der charismatische Führer der schiitischen Bewegung im Libanon dies aber wohl nicht gemeint. Er spricht weiterhin von einem Sieg der Hisbollah, die einem israelischen Angriff tapfer widerstanden habe.

Aber Nasrallah hat mit seiner Rede auf die Stimmung im Libanon und unter Schiiten reagiert. Zwar kritisieren öffentlich nur Intellektuelle unter den Schiiten die Provokation der Hisbollah, die mit der Entführung der israelischen Soldaten den Krieg ausgelöst hat. Aber eine Woche nach Kriegsende stellt sich doch auch bei einfachen Leuten im Süden Beiruts und im Südlibanon die Frage, ob der Versuch, drei libanesische Gefangene freizupressen, dieses Ausmaß der Zerstörung wert war. Indem Nasrallah einräumt, dass er die massive israelische Bombardierung des Libanon nicht vorausgesehen habe, mag er einen taktischen Fehler zugeben. Gleichzeitig versucht er aber, die Verantwortung für die Zerstörung und die mindestens tausend Toten abzuwälzen.

Während des Krieges hat sich die Hisbollah bemüht, als gesamtlibanesische Bewegung aufzutreten und nicht als Partei einer Konfession. In Südbeirut wurde zunächst die libanesische Fahne in die Trümmer gehängt, nicht die Hisbollah-Flagge. Wahrscheinlich will Nasrallah mit seinem Eingeständnis auch den Vorwurf aus christlichen und sunnitischen Kreisen entkräften, die Hisbollah habe sich zur Herrin über Krieg und Frieden im Libanon aufgeschwungen und den Staat gekidnappt. Dafür spricht auch das Versprechen, die Stationierung libanesischer Soldaten und von UN-Truppen nicht zu behindern und die Waffenruhe einzuhalten. Hisbollah gibt sich zahm und in völligem Einklang mit der Regierung. Ärger macht vielmehr der Christenführer Michel Aoun, der die Neubildung der Regierung fordert. Von seiner kuriosen neuen Allianz mit der bisher verhassten Hisbollah verspricht er sich Unterstützung in seinem Vorhaben, nächster Präsident des Libanon zu werden.

Politisch hat sich Nasrallah dennoch durchgesetzt: Nicht einmal mehr UN-Generalsekretär Kofi Annan spricht von einer gewaltsamen Entwaffnung der Miliz. Die libanesische Regierung hatte dies ohnehin bereits als unrealistisch abgelehnt. So wird die Hisbollah ihre Waffen behalten und verstecken. Das Thema Entwaffnung wird nur auf politischer Ebene zu verhandeln sein. Und dort, im so genannten nationalen Dialog, war es vor dem Krieg bereits versandet.

Mit seiner auf Konsens bedachten Rede will der Schiitenführer wohl auch den Vorwurf entkräften, die Hisbollah agiere als Arm des Iran als regionale Kraft. Seit jeher ist die Bewegung sowohl ein Akteur auf der libanesischen Szene als auch ein Verbündeter des Regimes in Teheran. Das Verhalten der Hisbollah während des Krieges war teilweise als Beweis dafür interpretiert worden, dass nun die Allianz mit Teheran die Oberhand über die lokale Rolle gewonnen habe. Dies zu dementieren dürfte im Interesse Nasrallahs und Teherans sein. Mit seinem Versprechen, dem Kurs der libanesischen Regierung zu folgen, ordnet sich die Hisbollah zumindest formal der staatlichen libanesischen Autorität unter. Aber wenn es ihm opportun erscheint, kann der Schiitenführer jederzeit wieder als Spielverderber auftreten.

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