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Politik: Zeichen der Wende

Von Lorenz Maroldt

Ganz so einfach, wie sich manche wünschen, funktioniert Politik dann doch nicht, das haben die Wahlen in Sachsen und Brandenburg gezeigt. Für die CDU und die PDS ist das gar nicht so gut, für die SPD ein bisschen besser. Was bisher nur ein Grummeln war in der erfolgsgewohnten Union und ein selbstbewusstes Lächeln im Gesicht des angeschlagenen Kanzlers, ist jetzt mit Zahlen zu belegen: Angela Merkel wird nicht wie von selbst ins Kanzleramt getragen; die SPD kann doch noch eine Regierung verteidigen; und nur einfach nein und jetzt reicht’s zu sagen, reicht vielleicht für ein paar Prozent am rechten Rand, aber der PDS nicht zum Regieren.

Bereits in den vergangenen Wochen war ein Stimmungswandel zu spüren. So wurde aus den AntiHartz-Protesten keine wirkliche Massenbewegung, und der Wahlsieg der CDU im Saarland konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Partei in absoluten Zahlen viele Wähler verliert. Auch ein Blick auf die Wahlbeteiligung, die in Sachsen und Brandenburg besser ist als befürchtet, zeigt, wohin es jetzt gehen könnte: nicht immer weiter nur in eine Richtung. Eine Mehrheit im Osten hat demonstriert, dass sie zur Demokratie steht, aber auch, dass sie Alternativen will – und Ehrlichkeit nicht zwangsläufig bestraft.

Davon hat in Brandenburg Matthias Platzeck profitiert, der in den letzten Wochen vor der Wahl die Reformen der Bundesregierung gegen die vorherrschende Stimmung verteidigte. Er konnte das – anders als Schönbohm, der seine Kampagne kurz vor der Wahl noch mal umwarf – auch deshalb so gut, weil er authentisch wirkt. Das macht ihn auch wieder sehr interessant für Schröder. Dagegen hat in Sachsen Georg Milbradt das Kokettieren mit den Reformgegnern eher geschadet; er büßte Glaubwürdigkeit ein – und kräftig Prozente. Die PDS schließlich muss erkennen, dass es im Osten trotz des Gefühls, Verlierer zu sein, auch Misstrauen gibt gegen zu einfache, billige Lösungen komplexer Probleme, zwar nicht bei allen Wählern, aber bei der Mehrheit von ihnen. Was die CDU betrifft, kommt eine Ahnung dazu: Es würde mit ihr nicht unbedingt alles besser. Vielleicht sogar eher schlechter, jedenfalls aus Sicht derer, die sich vor den Reformfolgen fürchten. Da wirkt sich jetzt aus, woran die Union derzeit leidet: Sie zeigt weniger eine Alternative auf, als vielmehr ihre Widersprüche. So wirkt der eine Teil der Partei kaltherzig-technokratisch, der andere verwirrend altsozialdemokratisch. Es stimmt schon, was die CSU befürchtet: Die Merkel-CDU deckt das alte Unionslager nicht vollständig ab. Es gelingt ihr zum Beispiel nicht, die Wähler an sich zu binden, die es jetzt mal mit Rechtsradikalen probierten. Eine klare Abgrenzung der Union zu extremen Positionen und Parolen ist zwar aus polithygienischen Gründen zu begrüßen; strategisch aber wird das ein Problem.

Das Abschneiden von DVU und NPD mag manchen erschrecken, und ein Anlass zur Sorge ist es ja auch – einer zur Panik aber nicht. Es gab und gibt in Deutschland ein gewisses Potenzial an Rechtsradikalen, die mal gar nicht wählen, mal irgendwas und mal eben eine rechtsextreme Partei. Politisch sind und bleiben sie ohne Einfluss. Es gibt auf absehbare Zeit keine andere Partei, die ein Bündnis mit DVU oder NPD eingehen würde. Zudem sind sie organisatorisch schwach. Ein Investitionshemmnis, wie manche die Wähler warnten, sind sie aus diesen Gründen nicht. Und schon gar nicht ist, wie Otto Schily behauptet, das Bundesverfassungsgericht schuld am Erfolg der NPD. Eher war es der mangelhaft vorbereitete Verbotsantrag, den das Gericht ablehnen musste. Allerdings wird man beobachten müssen, ob sich rechte Schläger und bürgerlich lebende Rassisten auf Dauer vereinen lassen, wie es der NPD jetzt gelang.

Was diese Ergebnisse zeigen: Die Union sinkt auf die Wahlen 2006 zu. Auch die SPD verliert weiter – aber es kann sich für einen SPD-Politiker lohnen, mutig zu sein und Mut zu machen. Und: Es lohnt sich für alle, den Osten nicht abzuschreiben.

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