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Politik: Zensur bleibt hilflos

Von Richard Schröder

Kennen Sie Felix Steiner, die Wolfsangel und die TyrRune? Nein? Dann sind Sie ungeeignet, der Neonazigefahr entgegenzutreten.

Das Unternehmen Media Tex produzierte bis vor kurzem Kleidung mit dem Logo „Thor Steinar“ und versah sie nach eigener Auskunft mit den Runen der Initialen T und S. Neonazis und Skinheads lieben diese Kleidungsstücke. Jetzt ist auf Antrag der Staatsanwaltschaft Neuruppin das Logo gerichtlich verboten worden.

„Nun sind bundesweit Razzien gegen Geschäfte möglich, die Kleidung mit dem Runen-Logo verkaufen“, meldet der Tagesspiegel. Die Polizei hat bereits Jugendlichen, die sich mit dem Hitlergruß hervortaten, solche Kleidungsstücke am Leibe beschlagnahmt. Ihnen droht ein Strafmandat von 300 Euro. Ich bezweifle, dass das die erwünschten Einsichten fördert. Sie werden darin bloß Schikane sehen.

Die Staatsanwaltschaft Neuruppin hat das Verbot so begründet: Ähnliche Runen hätten Absolventen der „Reichsführerschulen“ getragen und einige Einheiten der Waffen-SS. Kippe man das Logo ein wenig, sehe es so ähnlich aus wie die SS-Runen. Wir sind dankbar für die Belehrung und die Gebrauchsanweisung zur Entdeckung des Skandals. Die weitere Begründung: Thor Steinar erinnere an den SS-General Felix Steiner. Mich erinnert Steinar zwar nicht an Steiner, aber vielleicht tatsächlich die Neonazis.

Dass Paragraph 86 a des Strafgesetzbuches das öffentliche Zeigen von Nazisymbolen unter Strafe stellt, ist eine Einschränkung der Meinungsfreiheit, die bei gestandenen Demokraten unserer Nachbarländer Erstaunen auslöst. Aber das ist unserer Geschichte geschuldet. Solche Strafen dürften jedoch mehr dem Schutz unseres Rufes im Ausland dienen als auch nur einen Neonazi bekehren. Ein öffentliches Symbol muss auf Anhieb identifizierbar sein, sonst ist es ein undeutbares Geheimzeichen wie die meisten Graffiti.

Das Verbot ist deshalb zustande gekommen, weil Neonazis gerade diese Klamotten lieben. Wir übergeben ihnen also die Definitionsvollmacht dafür, was als Nazikleidung zu verfolgen ist. Da eröffnen sich den Neonazis ja fantastische Möglichkeiten für ein Katz-und- Maus-Spiel. Sie lieben nämlich auch die britische Marke „Lonsdale“, weil man bei halboffener Bomberjacke „NS“ zeigen kann, bei „Consdaple“ sogar „NSDAP“. Da haben wir ja noch viel zu beschlagnahmen. Mal sehen, was die Briten dazu sagen.

Diese Textilienzensur ist nicht die selbstbewusste und gelassene Selbstverteidigung der Demokratie, sondern eine Mischung aus Gespensterfurcht und inquisitorischer Zensorenmentalität. Zensoren, das weiß ich aus der DDR, entdecken nämlich, verklemmt wie sie sind, mehr staatsgefährdende Hintergedanken als Schreiber und Leser zusammen. Seinerzeit hat die Volkspolizei Jacken mit dem Aufnäher „Schwerter zu Pflugscharen“ am Leib beschlagnahmt. Aber das kann man doch gar nicht vergleichen! Kann man sehr wohl, denn Liberalität, Rechtsstaatlichkeit und Gelassenheit erweisen sich immer am Umgang mit Störenfrieden.

Der Autor ist Professor für Theologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Richard Schröder schreibt diese Kolumne im Wechsel mit Antje Vollmer und Wolfgang Schäuble.

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