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Zerbrechlicher Frieden. In der Hauptstadt Bangui kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Am Mittwoch wird erst einmal gewählt.

© Daniel Dal Zennaro/dpa

Zentralafrikanische Republik: Nach dem Einsatz ist vor dem Einsatz

In der Zentralafrikanischen Republik wird über den nächsten Präsidenten und ein neues Parlament abgestimmt. Die Sicherheitslage bleibt aber weiterhin prekär.

Zwei Bewährungsproben hat die seit Januar 2014 regierende Übergangspräsidentin Catherine Samba-Panza mit Hilfe der UN-Blauhelmtruppe Minusca und der französischen Mission „Sangaris“ im November und Dezember schon überstanden: Papst Franziskus hat die Zentralafrikanische Republik am 29. November besucht – und unversehrt wieder verlassen, und das Referendum über die neue Verfassung des Landes ist zwar nicht gewaltfrei, aber nach Einschätzung der Wahlbeobachter angesichts der Umstände akzeptabel über die Bühne gegangen. An diesem Mittwoch findet nun die mehrfach verschobene Präsidentschafts- und Parlamentswahl statt, die dem zerrissenen Land den Weg in die Zukunft ebnen soll.

Frankreichs Präsident François Hollande hat im November vorsichtig gesagt, die Zentralafrikanische Republik sei ein „Land im Übergang“. Er hofft aber, nach der Wahl die verbliebenen rund 900 Soldaten der Operation Sangaris abziehen zu können. Schließlich hat Frankreich nach den Terroranschlägen in Paris inzwischen andere Prioritäten. Allerdings hat sein Verteidigungsminister vor der Wahl betont, dass die Soldaten zumindest bis zum Amtsantritt des dann gewählten Präsidenten noch im Land bleiben würden. Ende 2013 war Frankreich mit 2000 Soldaten eingerückt, um die Zivilbevölkerung vor den brutalen islamischen Séléka-Milizen und den nicht minder grausamen christlichen Anti-Balaka-Milizen zu schützen.

Die Zentralafrikanische Republik
Die Zentralafrikanische Republik

© Tsp

Insgesamt waren bis Ende 2015 rund 11.000 französische Soldaten an der Operation Sangaris beteiligt. Sie haben etwa 14 Tonnen Munition vernichtet, 300 000 Schuss Munition und 8000 Waffen beschlagnahmt. Aber an Waffen mangelt es im Land weiterhin nicht. Die mittlerweile 11 563 UN-Blauhelme der Minusca-Truppe haben alle Hände voll zu tun, um neue Massaker zu verhindern. Im September genügte der Mord an einem muslimischen Motorradtaxifahrer in der Hauptstadt Bangui, um die Gewalt wieder aufflammen zu lassen. Nach mehreren Rachezügen beider Milizen sind seither rund 90 Menschen getötet worden.

Die Friedenstruppen haben keinen guten Ruf

Einer der Gründe für die Schwierigkeiten ist das mangelnde Vertrauen, das sowohl der französischen Truppe als auch Minusca entgegengebracht wird. Das liegt zum einen an Vergewaltigungs- und Missbrauchsvorwürfen gegen beide Truppen, die nicht aufgeklärt und schon gar nicht geahndet worden sind. Im Fall der französischen Truppe hat es aber auch damit zu tun, dass die muslimische Seite sie als voreingenommen sieht. Der relativ gute, neutrale Ruf, den sich von April 2014 bis März 2015 die von der Europäischen Union entsandte Eufor-RCA-Truppe erarbeitet hatte, hat sich offenkundig nicht auf Minusca und die französischen Kontingente übertragen lassen. An der EU-Truppe war auch die Bundeswehr beteiligt. Der Bundestag hatte im April 2014 die Entsendung von 80 Soldaten bewilligt. Tatsächlich an der Operation beteiligt waren aber nur neun Soldaten, sagte eine Sprecherin des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr dem Tagesspiegel.

Doch im April 2016 endet das schon einmal verlängerte Minusca-Mandat, Frankreich würde gerne abziehen, und dann könnten doch noch einmal Anforderungen an Deutschland gestellt werden, sich an einem neuen Einsatz in der Zentralafrikanischen Republik zu beteiligen. Die Truppe könnte sich wenigstens gut auf den Einsatz vorbereiten. Vor wenigen Tagen hat das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in seiner Reihe „Wegweiser zur Geschichte“ einen Band über das „Zentrale Afrika“ herausgebracht.

Seit dem Sturz von François Bozizé herrscht Chaos

Der jüngste Zusammenbruch der Ordnung in der Zentralafrikanischen Republik war Ende 2013 durch den Sturz des ehemaligen Putschisten François Bozizé ausgelöst worden. Bozizé hatte sich 2003 mit Billigung Frankreichs und mit Hilfe des Tschads an die Macht geputscht und 2005 die Präsidentenwahl gewonnen. Seine Wiederwahl 2011 wurde international als irregulär eingeschätzt. Michel Djotodia, der mit Bozizé gekämpft hatte, marschierte mit einer muslimischen Koalition, Séléka, auf die Hauptstadt zu. Zunächst unterstützte ihn der tschadische Präsident mit 2000 Soldaten. Er soll allerdings auch die muslimischen Kämpfer mit Soldaten unterstützt haben. Jedenfalls übernahm Djotodia das Präsidentenamt – wurde allerdings im Januar 2014 zum Rücktritt gezwungen und ging nach Benin ins Exil.

Die Séléka hat auf ihrem Eroberungsfeldzug eine Vielzahl von Menschenrechtsverbrechen begangen. Das war einer der Gründe für die Bildung der sogenannten Anti-Balaka-Milizen, die zunächst Christen zu schützen versuchten. Inzwischen sind die Anti-Balaka aber nach Einschätzung der International Crisis Group vor allem zu Banditen geworden, die wie die Reste der zerschlagenen Séléka in mehreren Landesteilen Parallelregierungen unterhält, durch Straßensperren Gelder erpresst oder illegal mit Diamanten handelt.

Hunderttausende Muslime mussten flüchten

Die Anti-Balaka haben vor allem in der Hauptstadt Bangui gewütet. Von den einstmals 150 000 Muslimen, die dort gelebt hatten, sind inzwischen keine 20 000 mehr da. Die meisten leben in einem Flüchtlingslager am Flughafen, das seit Monaten von wechselnden Friedenstruppen bewacht werden muss. Von den rund 4,8 Millionen Einwohnern sind eine halbe Million nach UN-Angaben im eigenen Land vertrieben, eine weitere halbe Million Menschen hat in den Nachbarländern Kamerun und Tschad Zuflucht gesucht. Derzeit sind 2,7 Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen.

Im Januar 2014 übernahm die in Frankreich ausgebildete Rechtsanwältin und ehemalige Bürgermeisterin von Bangui, Catherine Samba-Panza, die Regierung. Sie wurde im Parlament mehrheitlich gewählt. Aber sie beherrscht nicht viel mehr als die Hauptstadt. Vor allem im Nordosten haben sich Milizen der ehemaligen Séléka festgesetzt, und einige ihrer Anführer denken offen über eine Abspaltung nach. Sie haben außerdem angekündigt, dass in ihrem Machtbereich „keine Wahlen stattfinden werden“. Die Minusca-Truppen sind deshalb im Nordosten noch einmal verstärkt worden, damit die dort lebenden Menschen ihre Wahl doch noch treffen können. Wer allerdings von der Wahl ausgeschlossen bleibt, sind die meisten Flüchtlinge. Rund eine halbe Million Muslime wird nicht darüber bestimmen können, wer das Land künftig regiert. Da liegt auch das größte Risiko für die bevorstehende Wahl: Die Muslime könnten sie nicht anerkennen, weil sie kaum Einfluss darauf nehmen konnte

30 Kandidaten wollen Präsident werden

Ob die Wahl tatsächlich zu einer Befriedung beiträgt, hängt wohl auch von ihrem Ausgang ab. Die Liste der Präsidentschaftskandidaten ist eher entmutigend - aber enthält 30 Namen. Drei frühere Premierminister, Anicet Georges Dologuélé, dem gute Chancen nachgesagt werden, Martin Ziguélé und Faustin Archange Touadéra stehen zur Wahl. Außerdem bewerben sich drei Söhne früherer Präsidenten: Désiré Nzanga Kolingba, Sylvain Patassé und Jean-Serge Bokassa. Kolingba ist der Sohn des ersten Militärdiktators des 1960 von Frankreich unabhängig gewordenen Staates. Patassé ist der Sohn des 1993 ersten frei gewählten Präsidenten Ange-Félix Patassé, der allerdings an mehreren erfolglosen Putschversuchen gegen mehrere Präsidenten beteiligt war, bevor er durch Wahlen an die Macht kam. Und Bokassa ist der Sohn des Langzeit-Diktators Jean-Bedel Bokassa, dessen Krönung zum „Kaiser“ 1977 die ehemalige Kolonialmacht Frankreich großzügig bezahlt hatte. Zur Ruhe kommt das Land noch lange nicht.

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