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Politik: Ziel knapp verfehlt

Bundesregierung zieht erste größere Bilanz der Föderalismusreform von 2006 / Weiter kein Hauptstadtgesetz geplant

Berlin - Im Herbst 2006 trat sie in Kraft – die erste Stufe der Föderalismusreform. Und wie wirkt sie seither? Eine erste Bilanz hat nun die Bundesregierung vorgelegt, auf eine große Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hin. Das Ergebnis – ist gemischt. Für den Föderalismusexperten der Liberalen, Ernst Burgbacher, ist das wesentliche Vorhaben verfehlt worden: Das ohnehin „völlig mutlose Ziel einer Reduzierung der im Bundesrat zustimmungsbedürftigen Gesetze auf 35 bis 40 Prozent wurde nicht erreicht“, bemängelt Burgbacher. In der Tat musste die Bundesregierung für das erste Jahr im reformierten Föderalismus melden, dass das Planziel nicht eingehalten werden konnte. Der Anteil der im Bundesrat zustimmungspflichtigen Gesetze lag zwischen September 2006 und August 2007 bei 44,2 Prozent. Nach altem Recht hätte der Zustimmungsgrad bei 59,2 Prozent gelegen.

Allerdings verweisen viele Fachleute darauf, dass der kurze Zeitraum von nur einem Jahr für eine richtige Bilanz zu kurz ist. Zumal es noch Übergangsfristen bei einigen der Grundgesetzänderungen gibt, so dass die Reform noch gar nicht durchgehend greifen konnte. Aus den Zahlen der Bundesregierung lässt sich jedoch auch herauslesen, dass von einem Misserfolg auch nicht die Rede sein kann. Nimmt man all jene Gesetze aus der Rechnung heraus, die auf internationale Vereinbarungen zurückgehen (und in aller Regel nicht umstritten sind) und beschränkt sich auf die reine innerdeutsche Gesetzgebung, dann liegt die Quote der Gesetze, die am Bundesrat scheitern können, nur noch bei 33,6 Prozent. Nach altem Recht wären es 54,2 Prozent gewesen.

Im Detail zeigt sich, dass vor allem eine Änderung des Grundgesetzes zu wirken scheint: Nur noch bei 23 Prozent der Gesetze darf der Bundesrat zustimmen, weil Bundesregierung und Bundestag mit detaillierten Vorschriften in die Verwaltungshoheit der Länder eingreifen. Hätte die alte Regelung weiter gegolten, wären es 55,7 Prozent gewesen. Gut zehn Prozent der Zustimmungsgesetze gehen auf die neue Verfassungsregel zurück, nach der bei Bundesgesetzen mit hohen Folgekosten für die Länder ein Ja im Bundesrat nötig ist. Die Bundesregierung verweist jedoch darauf, dass es eine ähnliche Regelung auch zuvor gab. Eine Erhöhung der Zustimmungsquote durch die Klarstellung von 2006 „kann bislang nicht festgestellt werden“, heißt es daher in der Antwort an die FDP-Fraktion.

Ihre neuen eigenständigen Gesetzgebungsrechte nutzen die Länder, wenn auch noch zurückhaltend. Vor allem beim Ladenschluss und der Beamtenbesoldung sind sie jeweils eigene Wege gegangen, auch im Jugendstrafvollzug gibt es überall eigene Landesregelungen. Das Mini-Zugeständnis an Steuerautonomie zugunsten der Länder – bei der Grunderwerbsteuer – hat bisher nur Berlin genutzt, um die Steuer zu erhöhen. Was die konkrete Ausgestaltung des mit der Föderalismusreform eingeführten Hauptstadtartikels betrifft, bleibt der Bund reglos: „Die Bundesregierung hat zurzeit nicht die Absicht, den Umfang der wahrzunehmenden Bundesaufgabe durch Gesetz zu regeln“, heißt es in dem Papier. Die Finanzierung der „Repräsentation des Gesamtstaats“ in Berlin soll weiter durch direkte Vereinbarungen zwischen dem Bund und seiner Hauptstadt geregelt werden.

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