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Politik: Zielscheiben und Parolen

MOSKAU .Für alles war gesorgt.

MOSKAU .Für alles war gesorgt.Ältere Bürger hatte man mit Autobussen herbeigeschafft, Schüler und Studenten waren von ihren Lehrern zur Teilnahme verpflichtet worden, ein Heerlager von Polizisten stand bereit, um Hitzköpfe ruhig zu stellen.Vor den Kremlmauern sollten keine Eier und Farbbeutel geworfen werden, wie vor zwei Wochen bei der US-Botschaft.

Doch die Vorsorge schien fast übertrieben, denn die etwa 7000 Demonstranten, die sich am Mittwoch am Rande des Roten Platzes versammelten, verhielten sich ausgesprochen friedlich.Einige Schülerinnen hielten Plakate, die ihnen die Lehrerin in die Hand gedruckt hatte."Wir wollen keinen dritten Weltkrieg." Andere Demonstranten zeigten Selbstgemaltes."Gebt den Serben die S 300", "Dem Hund Clinton eins auf die Nase" oder "Clinton: Sexbesessener Mörder".Die Beschäftigten serbischer Unternehmen in Moskau hatten sich in ihre Nationalflagge gehüllt oder - wie die Bürger Belgrads - Zielscheiben an die Brust geheftet.

Organisiert wurde die Kundgebung am Rande des Roten Platzes von der vom Moskauer Bürgermeister Ende letzten Jahres gegründeten Bewegung "Vaterland".Der ehemalige Jelzin-Pressesprecher, Sergej Jastrschembskij - er arbeitet inzwischen im Luschkow-Apparat - hatte vorher via TV erklärt, es sei keine anti-westliche Demonstration geplant, den KP-Vorsitzenden Sjuganow werde man nicht sprechen lassen.Doch es kam dann doch anders.Die Versammelten verlangten klare Worte, gegen die NATO, vor allem aber gegen die USA.Die Sprecher der Luschkow-Bewegung "Vaterland" konnten die Menge nicht fesseln.Die Rede von General Gromow etwa ging in Pfeifen und Unruhe unter.Der General, der den Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan geleitet hatte und heute dem politischen Rat der Bewegung "Vaterland" angehört, traf nicht die Stimmung der Versammelten.

Erst der Vorsitzende der Moskauer KP-Organisation, Aleksandr Kuwajew, traf den"richtigen Ton".Unter Beifallsstürmen rechnete der als Scharfmacher bekannte KP-Führer mit den USA ab."Die Diebe der ganzen Welt" hatten vor 300 Jahren die Vereinigten Staaten gegründet.Russen und Serben seien zusammen mehr als 150 Millionen."Wir können den Aggressor bändigen", rief er mit knorriger Stimme.Seine Analyse: Die Hauptschuld an der Tragödie auf dem Balkan würden Gorbatschow und Jelzin tragen - sie hätten schließlich die Großmacht Sowjetunion zerstört.

ULRICH HEYDEN

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