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Politik: „Ziemlich dünne Soße“

Die Unionsfraktion ist mit Merkels Rede zum Irak–Konflikt unzufrieden – viele vermissten die Überzeugungskraft

Von Robert Birnbaum

Unzufrieden sind nicht wenige – zum lautstarken Unmut reicht es nicht. Aber dass der Auftritt der Oppositionschefin Angela Merkel in der Irak-Debatte des Bundestages am Donnerstag klar unter der erforderlichen Form geblieben ist, schlägt sich nicht nur in den Zeitungskommentaren nieder. „Ich fand sie nicht so schlecht“, ist noch eine der freundlichsten Bewertungen anderntags in den Reihen der CDU/CSU-Fraktion. Andere werden deutlicher: „Ziemlich dünne Soße“, nennt ein Abgeordneter Merkels Widerrede gegen Bundeskanzler Gerhard Schröder, „unentschieden“, „ängstlich“, „eierig“, lauten andere Kommentare.

Die Chefin habe ja durchaus alle Argumente gegen den rot-grünen Kurs vorgetragen, konzediert ein Außenpolitiker. Aber sie habe, anders als später Wolfgang Schäuble, den Kern des Dissenses nicht in der nötigen Schärfe und Klarheit deutlich gemacht. Die Union hatte von Merkel auch deshalb mehr erwartet, weil sie vorher schon mehr gegeben hatte. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz am vorigen Wochenende hatte die CDU-Chefin klar gesagt, was sich bis dahin nur wenige in der Union auszusprechen getraut hatten: dass nämlich die ebenso unpopuläre wie logische Konsequenz der Position von CDU und CSU in der Irak-Frage lautet, Ja zu einem Krieg zu sagen, wenn die friedliche Entwaffnung nicht funktioniert – und dann auch Ja zu einer deutschen Beteiligung, selbst wenn die im Umfang zwangsläufig nur gering ausfällt.

Merkel hat diese Konsequenz im Bundestag nur indirekt angedeutet, was ihr Außenminister Joschka Fischer sofort als Feigheit vor der Öffentlichkeit vorhielt. „Das war ein guter Tag für Roland Koch“, sagte ein Spitzenmann der Regierungskoalition hinterher in den Fluren des Reichstags. So weit geht die Häme innerhalb der Union nur bei ausgewiesenen Merkel-Feinden. Aber wenn ein Abgeordneter bemängelt, dass es immer schlecht sei, „wenn man sich zu stark von demoskopischen Werten beeinflussen lässt“, kann dieser an sich harmlose Satz durchaus als Kritik an Merkel gelesen werden. Hängt ihr doch seit langem unter Gegnern und Skeptikern der Ruf an, in schwierigen Situationen lieber auf Stimmungswellen zu surfen und sich nicht festzulegen, als Position zu beziehen.

Die Situation im Bundestag, das gestehen selbst die Kritiker zu, war schwierig. Die Union weiß, dass sie gegen eine Mehrheit auch unter ihren Anhängern argumentiert. Kanzler Schröder hatte mit seiner lutherschen Hier-stehe-ich-und-kann-nicht-anders-Rede Eindruck gemacht. Dem hätte nur eine gleichgewichtige Überzeugungskraft begegnen können. Dass sie die nicht aufgebracht hat, ist Merkel selbst bewusst geworden. Zu viele Botschaften mit zu vielen Argumenten vorgetragen und dabei die große Linie aus dem Auge verloren, so in etwa lautet die interne Manöverkritik; wohl auch die emotionale Bedeutung dieser Debatte bei weitem unterschätzt.

Eine verpasste Chance also. Was auch deshalb nicht so gut ist, weil Merkel am Thema Irak gerade Prinzipienfestigkeit demonstrieren will. Eine Festigkeit, die umso notwendiger wäre, als viele in der Union den offenen Konflikt scheuen und sich am liebsten weiter hinter der Wahlkampf-Linie des Kanzlerkandidaten Stoiber verschanzen würden, dass niemand einen Krieg wolle und ganz bestimmt niemand nach deutschen Soldaten fragen werde. „An unserer Haltung ist insgesamt zu viel Ängstlichkeit“, bemängelt ein Abgeordneter. Gerade darum erwarten er und andere von ihrer Führung Mut.

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