zum Hauptinhalt

Politik: „Zu Religion gehört auch Kritik an Religion“

Bischof Jaschke rechnet nicht mit einem dauerhaften Schaden im christlich-muslimischen Dialog

Sind die in Skandinavien erschienenen Karikaturen Blasphemie, also eine Verleumdung des islamischen Glaubens?

Das hängt sehr von der Wahrnehmung ab. Wir als abendländisch geprägte Menschen würden sagen, hier ist die Grenze zur Blasphemie nicht überschritten. Wir müssen aber respektieren, dass andere ihre religiösen Gefühle stark verletzt sehen. Und das tut uns leid. Was aber auf keinen Fall geschehen darf, dass darauf mit Gewalt, Terror und dem Aufputschen öffentlicher Aggressionen reagiert wird.

Christen fühlen sich auch bisweilen verleumdet, denken Sie zum Beispiel an Achternbuschs Jesusfilm in den 80er Jahren.

Christen kennen sehr wohl die Beleidigung religiöser Gefühle, und wir setzen uns auch dagegen zur Wehr. Aber wir wissen, dass es bei der künstlerischen Freiheit eine gewisse Bandbreite gibt. Wichtig für uns als Christen ist, wir haben gelernt, wie wertvoll eine freie Gesellschaft ist. Und in einer freien Gesellschaft mit Religionsfreiheit muss es auch Kritik an den Religionen geben können. Wenn Grenzen überschritten werden, können wir uns im Rahmen der geltenden Gesetze oder mit Demonstrationen wehren. Aber wir dürfen dies auf keinen Fall tun mit Terror oder mit Druck von der Straße.

Wie interpretieren Sie dann die jüngsten Vorgänge in den islamischen Ländern? Ist das eine neue Dimension?

Was sich jetzt abspielt, ist nicht total neu. Denken Sie an den Fall Salman Rushdie. Was da passiert ist, dass war jenseits alles Erträglichen. Da ist ein Mensch weltweit für vogelfrei erklärt worden. Guantanamo ist mit Recht ein Reizwort für die Muslime und viele andere. Wenn dort Korane geschändet werden, verstärkt das diesen Effekt. Im Moment habe ich den Eindruck, dass es bei Muslimen ein starkes Gefühl der Minderwertigkeit und des Herabgesetztseins gibt. Sie wollen sich wehren gegen eine westlich-amerikanisch dominierte Welt. Solche Karikaturen fungieren dann als Zündfunke für diese negativen Gefühle.

Sind diese Gewalttaten eine kurze Aufwallung, oder erleben wir eine grundlegende Veränderung im Verhältnis zwischen dem Westen und dem Orient?

Ich glaube, dass die Kluft zwischen der islamischen und der westlichen Welt im Moment zunimmt und sich die Gegensätze verschärfen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass junge und moderne Menschen in Iran, in Ägypten oder in der Türkei nicht die westliche Freiheit als die bessere Alternative sehen.

Was sind die Folgen für den christlich-muslimischen Dialog?

Ich glaube nicht, dass dieser Dialog auf Dauer Schaden nimmt. Aber Christen müssen Muslimen gegenüber sehr deutlich sagen, dass zur Religion Freiheit gehört. Dazu kommt die notwendige Unterscheidung zwischen der religiösen und der säkularen Ordnung. Wir wollen keinen Gottesstaat. Für solche Einsichten braucht es im interreligiösen Dialog sehr viel Zeit, Liebe und Geduld.

Wie kann der Westen die entstandene Kluft verkleinern, ohne seine Vorstellung von Freiheit aufzugeben?

Wir müssen sensibler werden. Viele Muslime haben das Gefühl, der Westen spielt seine Überlegenheit aus. Wir brauchen mehr Respekt und Geschick im Umgang mit den Muslimen. Sie müssen spüren, dass wir ihnen auf Augenhöhe begegnen. Ich halte aber ganz klar fest: Wir lassen es uns nicht gefallen, dass zum Beispiel solche Karikaturen zum Anlass von Gewalt genommen werden.

Das Gespräch führte Martin Gehlen.

Hans-Jochen Jaschke

ist Weihbischof im Erzbistum Hamburg. In der Bischofskonferenz ist er zuständig für den Dialog der katholischen Kirche mit den Muslimen.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false