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Politik: Zu teuer für faule Tricks

Von Anja Kühne

Einen „Sommer des Widerstands“kündigen Studierende an. Mehrere tausend haben bereits in deutschen Städten protestiert. Der Anlass: Sieben Bundesländer wollen im nächsten Jahr Studiengebühren erheben, weitere werden folgen. Damit geht in Deutschland eine Ära zu Ende. 35 Jahre nachdem das Hörgeld abgeschafft wurde, sollen sich die Studierenden wieder direkt an der Finanzierung ihrer Uni beteiligen, mit 300 bis 500 Euro pro Semester. Natürlich ruft dieser Kulturbruch Widerstand hervor. Die Demonstranten befürchten, Bildung könnte zur Ware verkommen, die unteren Schichten verschlossen bliebe.

Tatsächlich gelang die Bildungsexpansion seit den siebziger Jahren auch, weil das Studium gratis war. Studierten in den sechziger Jahren nur fünf Prozent eines Altersjahrgangs, ist es heute ein Drittel. Trotzdem ist die Überzeugung, das Studium müsse gebührenfrei sein, zunehmend erodiert. Experten beziffern die Finanzierungslücke bei den Hochschulen auf jährlich vier Milliarden Euro. Da der Staat nicht willig oder nicht in der Lage ist, die Unis adäquat auszustatten, sollen die Nutznießer selber mehr beitragen.

In der Tat ist das Studium das wert. Akademiker bekommen meist die besseren Jobs und sind besser vor Arbeitslosigkeit geschützt. Vor allem aber können sie ein Leben lang aus dem sozialen und kulturellen Kapital schöpfen, das sie an der Hochschule erworben haben. Die Demonstranten sollten deshalb nicht so tun, als seien sie unterprivilegiert. Ohnehin stammen 88 Prozent der Studierenden aus der mittleren, der gehobenen und der hohen Schicht, wie aus der Sozialerhebung des Studentenwerks hervorgeht.

Es ist richtig, Gebühren einzuführen – solange die Summen wie geplant moderat bleiben. Eine andere Frage ist aber, wie man Gebühren erhebt. Hier sind die unionsgeführten Länder dabei, ihr zigfach wiederholtes Versprechen von der „sozialen Verträglichkeit“ zu brechen. Immer wieder haben sie angekündigt, die Studierenden müssten erst zahlen, wenn sie bereits im Beruf stehen. Solche „nachgelagerten Gebühren“ wird es jedoch nicht geben. Die Studierenden müssen sofort zahlen. Wer sich das nicht leisten kann, muss ein Darlehen mit üppigen Zinsen von fünf bis 7,5 Prozent aufnehmen. Braucht jemand zehn oder 20 Jahre, um den Kredit abzustottern, muss er schließlich das Doppelte der Gebühren aufbringen – die Gewinner sind die Banken. Auch das versprochene neue „System von Stipendien“ ist nicht in Sicht. Nur zwei Prozent bekommen Stipendien.

Die Länder pfuschen auf dem Rücken der Studierenden. Damit diskreditieren sie die Studiengebühren, auf die die Hochschulen aber angewiesen sind. Und wer sagt, dass die Länder nicht noch ein weiteres Versprechen brechen werden – die Gebühren den Hochschulen zusätzlich zugute kommen zu lassen und die Staatszuschüsse konstant zu halten?

Wenn ein Land den Verdacht auf sich zieht, studentisches Geld in Haushaltslöcher stopfen zu wollen, dann Berlin. Dort landen schon jetzt die Verwaltungsgebühren, die die Studierenden jedes Semester entrichten müssen. Und der Finanzsenator wie der Regierende Bürgermeister haben immer durchblicken lassen, dass die von ihnen gewünschten Studiengebühren den Landeshaushalt entlasten sollen. Unter diesen Umständen wären die Beiträge aber eine sinnlose Belastung der Studierenden. Sollte Berlin sich wirklich bald vor Gebührenflüchtlingen aus anderen Ländern schützen müssen, dann lieber mit dem Numerus clausus als mit schlecht begründeten Gebühren.

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