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Politik: Zu viel USA, zu wenig Europa? Militärs und Politiker diskutieren die neue Rolle des Bündnisses

Wie viel Politik braucht die Nato, und wie viel demokratische Steuerung verträgt das nordatlantische Bündnis? Und wie ist es schließlich um den sicherheitspolitischen Handlungsspielraum der Europäer bestellt, wenn Amerika sich aus Konflikten auf dem alten Kontinent heraushält?

Wie viel Politik braucht die Nato, und wie viel demokratische Steuerung verträgt das nordatlantische Bündnis? Und wie ist es schließlich um den sicherheitspolitischen Handlungsspielraum der Europäer bestellt, wenn Amerika sich aus Konflikten auf dem alten Kontinent heraushält? Für Verteidigungsminister Scharping ist die Sache nach Auskunft seiner parlamentarischen Staatssekretärin Brigitte Schulte klar: Die Nato leidet nicht unter zu viel USA, sondern unter zu wenig Europa. Die Bundesakademie für Sicherheitspolitik bemühte sich in ihrem Rosenburggespräch zwischen Politikern, Militärs und Wissenschaftlern in Berlin um ein Ende dieses Dilemmas. Dass Europa unwiederbringlich der US-Unterstützung bedarf, stand genauso außer Frage wie die Einsicht, dass sich die Europäer mit ihren weitreichenden Einsparungen im Militärbereich selbst demontieren. Die Bundeswehr lebt laut Schulte seit 1991 von der Substanz. Beinahe triumphierend klingt ihre Beschwichtigung, dass der Bundesfinanzminister ein Einsehen hat und die mittelfristige Finanzplanung nach dem Sparjahr 2000 unter Vorbehalt gestellt hat. Spätestens wenn die Integration des Westeuropäischen Verteidigungsbündnisses WEU in die EU anstehe, müsse die Modernisierung auch europaweit beginnen, so Klaus Wittmann, Abteilungsleiter der deutschen Nato-Vertretung in Brüssel. Selbstredend, dass jede weitere Reduzierung der Wehrdienstzeit wie auch der Truppenstärke nicht verantwortbar sei.

Die Politik muss also entscheiden. Ohne jedoch zu viele militärische Details regeln zu wollen, schränkt Holger Mey, Direktor des Instituts für Strategische Analysen, ein. Das lehre der Balkan. Mit Vehemenz hatte seit seinem Ausscheiden auch General Klaus Naumann, bis zum Sommer Vorsitzender des Nato-Militärausschusses, die "Schwächen einer Koalition der Demokratien" kritisiert, die völlig unzulängliche Vorgaben für die Nato-Angriffe auf Ziele in Jugoslawien gemacht hätte. General Wittmann schlug in die gleiche Kerbe: "Wir sollten damals Kollateralschäden ausschließen, eigene Verluste vermeiden und so vorgehen, dass der Zusammenhalt des Bündnisses nicht gefährdet wird. Diese Vorgaben schlossen eine Nato-Bodeninvasion genauso aus wie gezielte Bombardierungen in Belgrad." Während Naumann schon deshalb den Begriff Krieg für das Eingreifen in Jugoslawien ablehnt und von einer Militäroperation spricht, stimmte Wittmann der Staatssekretärin Schulte zu, dass diese Vorgaben dem "Primat der Politik demokratischer Staaten" geschuldet seien. Und die Selbstmandatierung der Nato unter Umgehung des UN? "Das UN-Mandat als i-Tüpfelchen fehlte", räumte Wittmann ein, "dennoch ist die Nato mit dem Völkerrecht nicht leichtfertig umgegangen. Schließlich haben alle Nato-Mitglieder einstimmig für den Einsatz votiert".

Claudia Lepping

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