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Politik: Zufall oder Ende der Entspannung?

Peking. Bei dem schwersten Seegefecht seit drei Jahren zwischen nord- und südkoreanischen Kriegsschiffen sind am Samstag mindestens vier südkoreanische Soldaten getötet und 21 verletzt worden.

Peking. Bei dem schwersten Seegefecht seit drei Jahren zwischen nord- und südkoreanischen Kriegsschiffen sind am Samstag mindestens vier südkoreanische Soldaten getötet und 21 verletzt worden. Ein südkoreanisches Schnellboot sei bei dem Schusswechsel versenkt worden, erklärte am Samstag ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Seoul. Südkoreas Präsident Kim Dae-jung rief einen nationalen Krisenstab in Seoul ein. Das südkoreanische Militär wurde in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt.

Der Zwischenfall ereignete sich am Samstagmorgen unweit der Insel Yeonpyeong vor der Westküste der koreanischen Halbinsel. Nach Angaben Seouls waren die nordkoreanischen Kriegsschiffe zusammen mit Fischerbooten um 10 Uhr 25 Uhr Ortszeit in Südkoreas Gewässer eingedrungen. Als die südkoreanischen Patrouillenschiffe die Nordkoreaner zur Umkehr aufforderten, hätten diese das Feuer eröffnet. Südkoreas Militärschiffe schossen zurück. „Nordkoreas Provokation ist eine klare Verletzung des Waffenstillstandsabkommens, und wir warnen Nordkorea streng, dass sie die Verantwortung dafür tragen“, erklärte Generalleutnant Lee Sang-hee in Seoul. Über die Verluste der Nordkoreaner war zunächst nichts bekannt. Ein nordkoreanisches Kriegsschiff habe jedoch Feuer gefangen und sei abgeschleppt worden, meldete Seoul. Radio- und Fernsehsender in Südkorea unterbrachen ihr normales Programm. „Wir fordern die Bevölkerung auf, ihr Leben normal weiterzuführen, da das Militär und die Regierung vollkommen vorbereitet sind“, erklärte eine Sprecherin des Präsidentenpalastes.

Das Seegefecht, der schwerste militärische Zwischenfall zwischen beiden Koreas seit 1999, löste in Südkorea Besorgnis aus. Am Samstag spielte Gastgeber Südkorea in Daegu gegen die Türkei um den dritten Platz. In Seoul halten es viele deshalb für nicht ausgeschlossen, dass das Regime in Pjöngjang den Zwischenfall provozierte, um das abschließende WM-Spiel der Südkoreaner zu stören. Bundespräsident Johannes Rau, der sich das Spiel in Daegu während seines Staatsbesuchs in Südkorea ansehen wollte, reagierte in einem Gespräch mit Südkoreas Präsident Kim Dae-jung betroffen auf die Nachricht.

Ob der Zwischenfall unabsichtlich geschah oder von Nordkorea provoziert worden ist, ist offen. Trotz der politischen Gespräche stehen sich an der Grenze zwischen beiden Ländern immer noch hochgerüstete Armeen gegenüber. Beobachter gehen außerdem davon aus, dass Nordkorea keine homogene Führung hat. Möglicherweise versuchen Teile des Militärs, die politische Annäherung Nordkoreas an den Westen zu boykottieren. Der Vorfall ist für Nordkorea ein politischer Rückschlag. Das US-Außenministerium hatte am Donnerstag erstmals eine Wiederaufnahme der Gespräche mit Nordkoreas Regime in Aussicht gestellt. Ein hochrangiger US-Vertreter sollte in der zweiten Juli-Woche nach Pjöngjang reisen.

Nordkoreanische Kriegsschiffe waren in den vergangenen Jahren immer wieder in die vom Süden beanspruchten Gewässer eingedrungen. Der Grenzverlauf an der Küste ist zwischen Seoul und Pjöngjang umstritten. 1998 feuerte Südkoreas Marine bei der Jagd auf ein nordkoreanisches Spionageboot Warnschüsse ab. Im Juni 1999 lieferten sich beide Seiten ein neun Tage dauerndes Seegefecht, bei dem 80 Nordkoreaner ums Leben kamen. In den vergangenen Tagen seien Nordkoreas Boote mehrmals in den Süden eingedrungen, heißt es in Seoul. Zuletzt sei am Freitag ein nordkoreanisches Boot für 90 Minuten in Südkoreas Gewässer gewesen.

Nord- und Südkorea sind de facto bis heute im Kriegszustand, da der Koreakrieg (1950 – 1953) nie mit einem Friedensvertrag beendet wurde. Die Auseinandersetzung ist ein Rückschlag für Präsident Kim Dae-jungs „Sonnenscheinpolitik“, mit der er die Versöhnung mit dem Norden vorantreiben will. Kim war im Juni 2000 zu einem historischen Gipfeltreffen mit Nordkoreas Führer Kim Jong-il nach Pjöngjang gereist mit der Hoffnung, die Feindschaft zwischen Nord- und Südkorea zu beendeten. Pjöngjang lehnte jedoch die Reduzierung des Militärs oder engere Beziehungen ab. Harald Maass

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