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Politik: Zug um Zug

Brüssel will keine Tabakwerbung, Berlin will sie – jetzt drohen rechtliche Schritte der EU-Kommission

Berlin - Deutschland ist nach den Worten des Brüsseler EU-Kommissionssprechers Philip Tod das einzige Land in der EU, das noch keine Gesetzgebung zur Umsetzung der europäischen Richtlinie zum Tabakwerbeverbot auf den Weg gebracht hat. „Wir haben bis jetzt noch keine Information aus Deutschland, wie und wann die Richtlinie umgesetzt werden soll“, sagte Tod dem Tagesspiegel am Sonntag. Falls Berlin die Richtlinie nicht umsetze, werde EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou im Juni der Brüsseler Kommission vorschlagen, rechtliche Schritte gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einzuleiten. Die Richtlinie sieht ein Werbeverbot für Zigaretten und andere Tabakerzeugnisse in Zeitschriften, Zeitungen und im Internet vor.

Das Werbeverbot hätte ursprünglich bis zum 31. Juli des vergangenen Jahres in nationales Recht umgesetzt sein sollen. Zuletzt hatte Deutschland Anfang April eine von der EU-Kommission gesetzte weitere Frist verstreichen lassen. Zuvor hatte Brüssel Deutschland und Luxemburg gemahnt, weil in diesen beiden Ländern die Gesetzgebung zum Tabakwerbeverbot noch fehlt. Inzwischen habe die luxemburgische Regierung ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht, das bis zum Sommer vom Parlament verabschiedet werden solle, erläuterte Kommissionssprecher Tod.

Dass Deutschland vor dem EuGH gegen das Tabakwerbeverbot klagt, will Brüssel nicht als Argument für die säumige Umsetzung der Richtlinie gelten lassen: Solange der EuGH das Tabakwerbeverbot nicht kippe, bleibe auch die entsprechende Richtlinie in Kraft, erklärte Tod. Nach seinen Worten sei nicht vor dem kommenden Herbst mit einem Urteil des Luxemburger Gerichts zu rechnen. Es sei zunächst einmal zu erwarten, dass der EuGH-Generalanwalt Mitte Juni einen Vorschlag für ein Urteil machen werde. Der Europäische Gerichtshof ist zwar nicht an Vorschläge des Generalanwaltes gebunden, folgt ihnen aber in den meisten Fällen.

Nach den Angaben der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Sabine Bätzing, gibt es pro Jahr in Deutschland über 110 000 tabakbedingte Todesfälle. Nach einer Studie zur Tabaksteuererhöhung haben andererseits in Deutschland nach der letzten Preiserhöhung für Zigaretten mehr als sechs Prozent der befragten Raucher mit dem Rauchen aufgehört. Ob die Politik künftig auch die Betreiber von Gaststätten dazu zwingen soll, genügend Plätze für Nichtraucher einzurichten, bleibt nach Bätzings aktuellem Drogenbericht offen. Die SPD-Politikerin drohte allerdings schon einmal mit einer Zwangsregelung eines Rauchverbots, falls die Gastronomie nicht wie vereinbart in den kommenden zwei Jahren ausreichend Nichtraucherplätze schafft: Bis März 2008 sollen in 90 Prozent der Mitgliedsbetriebe des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) 50 Prozent der Plätze für Nichtraucher reserviert sein.

Brüssel würde es jedenfalls begrüßen, wenn die Bundesregierung Zwangsregelungen für Raucher in der Öffentlichkeit einführen würde, wie sie schon in zahlreichen anderen Staaten in der Europäischen Union existieren. So darf beispielsweise in irischen Restaurants und Kneipen nicht geraucht werden, die Restaurants in Italien sind seit dem vergangenen Jahr ebenfalls qualmfrei. Auch in Großbritannien verabschiedete das Unterhaus im vergangenen Februar nach monatelanger hitziger Debatte ein Gesetz, das das Rauchen in Pubs und Clubs verbietet.

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