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Athen lässt zweite Verhandlung innerhalb von fünf Tagen platzen.

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Zukunft des Euro: Poker um Griechenland

Die Euro-Partner sind willens, Alexis Tsipras zu einem Ergebnis zu verhelfen, das er als Sieg darstellen kann. Athen muss sich darauf einlassen, wenn es nicht untergehen will. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

In einer seiner wunderbaren Kurzgeschichten erfindet Ephraim Kishon „Jüdischer Poker“: ein Spiel, bei dem die anfangs festgelegten Regeln am Ende nicht gelten, weil man sie durch spontan ausgedachte Supertrümpfe wie „Ultimo“ und „Ben Gurion“ aushebeln kann. An diese Satire erinnert der Umgang der griechischen Regierung mit den Finanzministern der Eurozone, freilich mit dem Unterschied, dass ihr kein Supertrumpf einfällt, der die Partner beeindruckt.

Zu den Treffen brachte sie bisher nicht einmal aktuelle Finanzdaten mit, geschweige denn praktikable Vorschläge, wie eine Einigung aussehen könnte. So breitet sich allmählich Fassungslosigkeit aus. Bis Monatsende muss eine vertragliche Grundlage her, sonst kann Griechenland kein neues Geld bekommen. Die Folge wären Zahlungsunfähigkeit und der Austritt aus dem Euro. An den Finanzmärkten bekommt Athen keine Kredite mehr.

Die Verhandlungen sind nahe am Scheitern, weil die Griechen und ihre Partner über ganz unterschiedliche Themen sprechen. Die Europartner möchten einen Weg vereinbaren, der es Griechenland eines fernen Tages ermöglicht, selbst zu erwirtschaften, was es ausgibt. Es geht um Reformen, Zeitpläne und technische Überwachung. In Irland, Spanien und Portugal haben diese Programme funktioniert, sogar besser als erwartet. Die Regierung Tsipras sucht dagegen nach Wegen, wie sie ohne Auflagen neues Geld bekommt.

Sie hat den Wählern versprochen, dass es anders geht, und möchte, zum Beispiel, über soziale Grundsicherung aus europäischen Kassen verhandeln. Eine solche Entlastung hätten andere auch gern. Und doch finden die Griechen kaum Unterstützung. Iren, Portugiesen und Spanier halten die Reformen, die sie sich abgerungen haben, auch für Griechenland für zumutbar. Letten, Slowaken und andere EU-Partner im Osten verstehen nicht, warum man den Griechen helfen soll. Ihre Renten und Sozialleistungen sind viel geringer. Reichere Länder wollen das nicht bezahlen, weder Deutsche noch Franzosen oder Italiener.

Es ist nicht der Moment, über große Entwürfe zu reden

Jetzt ist nicht der Moment, um über neue große Entwürfe wie die Sozialunion oder einen europäischen Länderfinanzausgleich zu reden, meinen die Eurofinanzminister. In dieser Woche muss eine Lösung für Griechenland gefunden werden, damit die Parlamente jener EU-Länder, in denen die Volksvertreter ein Mitspracherecht haben, darunter der Bundestag, die Einigung vor Monatsende absegnen können. Niemand möchte die Griechen aus dem Euro ekeln. Die Bereitschaft zum Entgegenkommen ist sichtbar.

Im Konkreten wird es schwierig. Direkte Budgethilfe ist verboten. Fast alles, was man geben darf, haben die Griechen bereits bekommen. Bis 2020 sind sie von Zinsen und Tilgung befreit, ein Schuldenschnitt bringt da auf die Schnelle nichts. Die Partner sind willens, Tsipras zu einem Ergebnis zu verhelfen, das er als Sieg darstellen kann. Die Einigung muss man nicht eine „Verlängerung“ bisheriger Absprachen nennen. Statt der in Griechenland verleumdeten „Troika“ kann eine andere „Institution“ die Reformen kontrollieren. Den Zeitplan kann man strecken.

Auf diese Verhandlungsebene muss Athen sich einlassen, wenn es nicht untergehen will. Die Zeit drängt. Doch Finanzminister Varoufakis redet von „Schuldenkolonie“, „sozialem Holocaust“, „fiskalischem Waterboarding“. Das sind keine Supertrümpfe, die im Poker mit Europa die Regeln ausstechen.

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