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Einpacken: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will den Soli abschaffen.

© AFP

Zukunft des Soli: Ende des Betrugs

Als die Mauer vor 25 Jahren fiel, wusste die Bundesregierung genau, dass dieses Mammutwerk nicht ohne Steuererhöhungen zu finanzieren sein würde. Doch die Regierenden belasteten lieber die Sozialversicherungen und führten eine „zeitlich befristete Abgabe“ ein - eine Art Betrug. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Antje Sirleschtov

Man könnte das einen Betrug nennen. Der Soli wurde eingeführt zur allgemeinen Finanzierung des Bundeshaushalts und hat im Prinzip mit dem Aufbau Ost wenig zu tun. Er war eine Steuererhöhung. Jeder ahnte das, niemand sprach es im deutsch-deutschen Taumel aus. Seither fristet der Soli das Dasein eines virtuellen Sparschweines in der deutschen Politik. Zu jeder passenden Gelegenheit findet irgendwer, man könnte das Geld für Besseres verwenden. Für neue Straßen oder mehr Kultur zu Beispiel. Und andere träumen von glänzenden Wähleraugen, wenn sie versprechen, dass der Soli irgendwann abgeschafft wird. Rainer Brüderle, der Mann von der FDP, war der Letzte, der das versucht hat, zur Bundestagswahl 2013.

Das Ergebnis ist bekannt, geglaubt hat ihm und auch den anderen kaum jemand. Und das war auch gut so. Der Solidaritätsbeitrag spült im Jahr 14 Milliarden Euro in die Kassen des Bundes. Das ist eine Menge Geld. Mit dem Soli werden Kitas in ganz Deutschland gebaut, Straßen saniert, Hochschulen finanziert und das öffentliche Leben aufrechterhalten. Und gerecht ist der Soli auch. Wer nichts verdient, zahlt ihn nicht, und wer viel verdient, muss prozentual auch mehr abgeben. Nur einen kleinen Schönheitsfehler hat der Soli: Er steht auf dem Lohnzettel ganz allein in einem Feld und springt einem unangenehm ins Auge. Wir werden jeden Monat aufs Neue an den alten Betrug erinnert. Und auch ein bisschen daran, wie wir das „befristete“ damals den Regierenden geglaubt haben.

Zur Ehrlichkeit gehört, dass jeder, der den Soli jetzt wieder zur Disposition stellt, auch gleich dazu sagen soll, wo die 14 Milliarden Euro eingespart werden sollen. Die Deutschen leisten sich einen der stärksten Staaten der Welt. Wir wollen gute kostenlose Schulen für alle, eine funktionierende Infrastruktur und wenn irgendwo auf der Welt ein Unglück geschieht, dann möchten wir als Erste mit Hilfslieferungen zur Stelle sein. Ach ja: Mehr Geld für Investitionen in Forschung, Bildung und neue Straßen wollen wir auch. Und keine neuen Milliardenschulden natürlich. Das kostet sehr viel Geld. Wo soll man 14 Milliarden einsparen?

Man könnte auf die Idee kommen zu sparen, im großen Stil. Der Vorsatz ist alt und gipfelte einst in einem Team aus Peer Steinbrück und Roland Koch, die sich aufmachten, sinnlose Subventionen abzuschaffen. Einiges ist gelungen. An die großen Subventionen allerdings will bis heute niemand ran. Es gibt in Deutschland keine Mehrheiten, sie abzuschaffen. Zu Recht, denn die meisten gehören zu dem, was uns stolz auf den Staat macht: Dass Lebensmittel zum Beispiel nur mit wenig Verbrauchssteuern belastet sind, damit sich jeder ernähren kann. Und Bücher lesen oder Theater besuchen auch.

Man kann Wolfgang Schäuble vorwerfen, dass er vor vier Jahren hinterlistig die Steuersenkungsversprechen der Liberalen gekippt und die Partei damit zerstört hat. Und auch, dass er das gleiche Spiel jetzt wegen der Maut mit der CSU betreibt. Der Bundesfinanzminister hat durch seine Strategie der Euro-Rettung vielleicht sogar der nationalpopulistischen Partei AfD den Boden bereitet. Und sein Bundeshaushalt 2015, der erste seit Jahrzehnten ohne neue Schulden, wird von jenen, die mehr Investitionen fordern, als Sparhaushalt denunziert, der Deutschlands Wirtschaft abwürgen wird. Eines aber muss man Schäuble zugutehalten. Wenn er jetzt mit den Ländern über die anstehende Neuordnung der Staatsfinanzen ab 2019 verhandelt und dabei herauskäme, dass der Soli in die Einkommensteuer eingerechnet wird, dann macht er sich mit dieser Steuererhöhung ehrlich. Nach 25 Jahren. Und keiner soll sagen, das wäre schon wieder Betrug.

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