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Politik: Zum Äußersten entschlossen

Immer mehr iranische Volksmudschahedin zünden sich an – in den USA und der EU gelten sie als Terrorgruppe

Ihre Taten sollten aufschrecken: Am Mittwoch und Donnerstag übergossen sich Exil-Iraner in Paris, London, Bern und Rom mit Benzin und zündeten sich an. Ingesamt sieben Menschen, darunter zwei Frauen, wollten sich auf diese Weise umbringen – aus Protest gegen die Verhaftung von 159 iranischen Volksmudschahedin durch die französische Polizei. Mittlerweile haben die Pariser Behörden ein Versammlungsverbot gegen Anhänger der Organisiation verhängt und weitere 62 demonstrierende Exil-Iraner in der Nähe des Eiffelturms festgenommen.

In den USA und der EU gelten die Volksmudschahedin als terroristische Vereinigung. Das auffälligste Merkmal der Organisation ist, dass Frauen in ihr eine zentrale Rolle spielen. Im 24-köpfigen Führungsrat sitzt kein einziger Mann. Jeder zweite Soldat in der Guerillaarmee, die seit 1981 vom Irak aus gegen das Mullah-Regime im Iran kämpft, ist weiblich. Neben dem Anführer Massud Radschawi ist dessen Ehefrau Mariam die wichtigste Leitfigur der Dissidentengruppe. Die 50-Jährige wurde am Dienstag ebenfalls verhaftet.

Mariam Radschawi steht im Mittelpunkt eines extremen Personenkults. Ihre Anhänger feiern sie als „zukünftige Präsidentin des Irak“. In den Spinden der Kämpfer, auf den Panzern ihrer „Nationalen Befreiungsarmee“ – überall prangen Porträts der Hoffnungsträgerin. Wenn sie sich in Videoansprachen an ihre Gefolgsleute wendet, brechen Jubelchöre aus. Vor allem für die Frauen, die den Volksmudschahedin nahe stehen, ist Mariam Radschawi ein Idol: Schon bevor die gelernte Ingenieurin 1983 ins Exil nach Frankreich ging, setzte sie sich für die Rechte der Frauen ein, die im Iran unter der Herrschaft der konservativen Mullahs unterdrückt werden. In die Führungsebene der Volksmudschahedin stieg sie vor 18 Jahren durch die Heirat mit deren Chef Massud Radschawi auf.

Die Ziele der Volksmudschahedin sind ebenso diffus wie vielfältig. In den vergangegen Jahren forderte die militante Gruppe wiederholt eine Demokratisierung des Iran nach westlichem Vorbild. Der Islamwissenschaftler und Iran-Kenner Wilfried Buchta hält dies jedoch für eine geschickte Propaganda. Tatsächlich seien die Volksmudschahedin eine „stalinistisch“ organisierte Kampftruppe, die gleichermaßen islamistisch wie sozialistisch ausgerichtet sei. Die Hinwendung zu den Werten westlicher Demokratien hält der Forscher für unglaubwürdig. Seit ihrer Gründung 1965 bildeten vielmehr die Theorie von Karl Marx, die Revolutionspraxis von Ché Guevara und die Vorstellung von einer revolutionär-islamischen Bewegung die ideologischen Grundpfeiler der Volksmudschahedin.

Vor der islamischen Revolution 1979 sympathisierte die Organisation zunächst mit Ajatollah Chomeini. Doch schon bald sah sie die Revolutionsideale verraten und ging in den Widerstand. Seit 1981 baute sie ihren Hauptstützpunkt im irakischen Exil auf und organisierte von dort aus mit finanzieller Unterstützung Saddam Husseins den Kampf gegen das iranische Regime. Deshalb, aber auch weil sich die Volksmudschahedin vor 1979 gegen den von den USA gestützten Schah von Persien gewandt hatten, steht die Organisiation auf der Terrorliste der USA. Im Krieg gegen den Irak bombadierte die US-Luftwaffe das Hauptquartier der Kämpfer nördlich von Bagdad. Im Mai schlossen die Alliierten mit den Mudschahedin einen Waffenstillstand und begannen mit der Entwaffnung der Exil–Iraner. Dennoch befürchtet Teheran, dass die USA sich die Volksmudschahedin für einen möglichen Krieg gegen den Iran als Hilfstruppen in Reserve halten.

Christian Staas

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