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Politik: Zum Angriff

Die Tories in London kündigen die Irakkriegsallianz mit Blair auf

„Eine Farce, absolut lächerlich“, höhnte Liberalenchef Charles Kennedy nach der Entscheidung von Oppositionsführer Michael Howard, der Irakuntersuchung von Lord Butler die Unterstützung zu entziehen. „Schamloser Opportunismus“, schimpfte Außenminister Jack Straw, empört, dass auch die vierte Untersuchung des Irakkriegs den Chor der Zweifler nicht verstummen lassen wird. „Howard glaubte, dass die militärische Aktion im Irak richtig war, nun fehlt ihm das Rückgrat für seine Überzeugungen.“ Damit stellte Straw Howard in einen scharfen Kontrast zu Premier Blair. Dieser „würde lieber nackt vor dem Parlament spazieren gehen als zurückzutreten“, hieß es im „Guardian“.

„Die politische Atmosphäre ist vergiftet“, befand Ex-Premier John Major. Zwei Wochen nachdem Butler mit Unterstützung der Tories die Arbeit aufnahm, kritisiert der Oppositionschef nun die „zu enge“ Vorgehensweise der Kommission. Das, so der Liberale Kennedy, der die Kommission boykottiert, hätte Howard gleich wissen können.

Howard nahm den Gesichtsverlust aus gutem Grund in Kauf: Er braucht Spielraum für die Jagd auf Premier Blair. Immer deutlicher kündigte Howard in den vergangenen Wochen die Iraksolidarität auf, mit der die Tories die Kriegsentscheidung einst mittrugen. Lord Butler will „Prozesse und Entscheidungsmechanismen“ untersuchen, Howard will wissen, ob Fehler gemacht wurden und von wem. Gemeint ist Blair.

Vor allem geht es um die Forderung, das Gutachten des Regierungsberaters Lord Goldsmith zur Legalität des Kriegs zu veröffentlichen. Dem Parlament wurde lediglich das Fazit vorgelegt. Doch nachdem durchsickerte, dass eine hohe Juristin des Außenministeriums wegen dieser Rechtsanalyse zurücktrat, glauben viele, Goldsmiths Gutachten enthalte Sprengstoff. „Klar, man hat Goldsmith unter Druck gesetzt“, erklärte die Kriegsdissidentin Clare Short bei ihrem Angriff auf Blair vorige Woche. Der Ruf nach einer Veröffentlichung der Analysen wurde lauter. Auch die Tories haben sich nun angeschlossen.

Von dem Streit hängt viel ab für Blair – nicht nur, dass ihn der Irak weiter in Atem hält. Äußert Goldsmiths Gutachten den geringsten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Kriegs, könnte Blair in der Armee unter immensen Druck geraten. Würde der Krieg für illegal erklärt, „könnte Blair ins Gefängnis kommen“, schrieb die „Mail on Sunday“ unter Verweis auf den Internationalen Strafgerichtshof. Wegen möglicher Kriegsverbrechen im Irak will eine Vereinigung britischer Juristen Klage gegen Blair in Den Haag einreichen.

Matthias Thibaut

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