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Politik: „Zum Gegengewicht fehlt uns die Kraft“

Der SPD-Außenpolitiker Klose kritisiert Schröder – und will einen Irak–Einsatz ohne UN-Mandat

Von Gerd Appenzeller

Da ist nichts mehr zu kitten. Zwischen dem Bundeskanzler und SPDVorsitzenden Gerhard Schröder und Hans-Ulrich Klose, angesehener außenpolitischer Experte der Sozialdemokraten, ist alles gesagt. In der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion am 10. Februar hatte der Regierungschef Klose angebrüllt: „Uli, mit dir bin ich fertig!“ Zuvor hatte der seinem Kanzler vorgeworfen, im Streit mit den USA über den Irak-Konflikt einer desaströsen Diplomatie das Wort geredet zu haben.

Sollte Schröder hoffen, den stellvertretenden Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses durch diesen rüden Stil diszipliniert zu haben, irrt er. Klose wirbt weiter für Augenmaß und Kontinuität, etwa, wenn er, wie zuletzt am 10. Juli im Tagesspiegel, über Irans Weg in die Zukunft nachdenkt, oder wenn er, wie am Dienstagabend im Haus Huth in Berlin vor Politikern, Wirtschaftsführern und Journalisten „Aktuelle Fragen der Außenpolitik“ behandelt. Am Vorabend der Washingtoner Gespräche von Außenminister Joschka Fischer lässt Klose jene Themen Revue passieren, mit denen Fischer vermutlich konfrontiert werden wird.

Ganz oben steht der Nahe Osten. Ein deutscher Außenminister, der in den USA nicht zum europäisch-arabisch-israelischen Verhältnis befragt würde – undenkbar für Klose. Und nachvollziehbar, dass man sich sowohl in der amerikanischen Hauptstadt wie auch in Jerusalem fragt, warum wohl die EU auf eine Äquidistanz zu Israel und den Palästinensern geht, wo doch die arabischen Staaten bis auf den heutigen Tag Israel die staatliche Anerkennung verweigern.

Beim Umgang mit dem Thema Irak rät Klose, die Vergangenheit abzuhaken und nach vorne zu blicken. Er ist besorgt, dass sich angesichts immer neuer tödlicher Anschläge auf die US-Truppen im Irak die Stimmung in der amerikanischen Öffentlichkeit schlagartig ändern und einen sofortigen Abzug der GI’s erzwingen könnte wie in Somalia. „Das wäre furchtbar“, warnt Klose. Deutschland, Europa müsse Amerika helfen, dass es im Irak erfolgreich sei und die Region stabilisiert würde. Dazu bedürfe es weder zwingend eines UN-Mandates noch einer intakten irakischen Übergangsregierung. Die UN seien, wie die Vergangenheit gezeigt habe, ohnedies nicht fähig, im Mittleren Osten Verantwortung zu übernehmen. Ihm selbst wären, dort wie in Europa, 25 Jahre einer Pax Americana lieber als 25 Jahre unter der Obhut der Vereinten Nationen.

Mit Skepsis verfolgt Klose die Debatte über das europäische Selbstverständnis. Die Frage, ob die EU besser Partner oder besser Gegengewicht zu den USA sein solle, ließe sich nicht abschließend beantworten. Wer aber, wie der Bundeskanzler, einer multipolaren Welt das Wort rede, spalte auf Dauer Europa, weil die jungen Demokratien des Kontinentes eine viel engere emotionale Bindung an die USA hätten als die Länder Westeuropas. Mit einem Blick auf die ökonomische Entwicklung stellt der Außenpolitiker nüchtern fest: „Zum Gegengewicht fehlt uns die wirtschaftliche Kraft“ – von der militärischen und technologischen Lücke einmal völlig abgesehen. Überhaupt gefällt ihm das Wort Partnerschaft besser. Denn ohne Partner kommt auch eine Hegemonialmacht wie die Vereinigten Staaten nicht aus.

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