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Politik: Zum Leben zu wenig

Rentenversicherer warnen vor Altersarmut

Berlin - Altersarmut ist noch kein drängendes Problem, kann aber bald eines werden. Der das sagt, ist Präsident der Deutschen Rentenversicherung. Und wie er es sagt, ist es eine Warnung. Zumindest in der nächsten Legislaturperiode müsse, wenn man keine nachträgliche Umverteilung wolle, gehandelt und gegen die längst erkennbaren Ursachen künftiger Altersarmut vorgegangen werden, drängte Herbert Rische am Dienstag in Berlin.

Ganz oben rangiert für ihn das Risiko Invalidität. Erwerbsgeminderte sind von den anstehenden Rentenkürzungen so betroffen wie Altersrentner. Der Unterschied: Sie können sich dagegen nicht mit staatlich geförderten Riester- und kaum noch mit Betriebsrenten wappnen. Privater Invaliditätsschutz sei Älteren oder Kranken „teilweise nur zu unvertretbar hohen Kosten oder auch überhaupt nicht möglich“, so Rische.

Das Problem zeigt sich bereits. 45 Prozent derer, denen die Rente nicht reicht und die daher Grundsicherung beziehen sind erwerbsgemindert. Ihr Anteil unter gewöhnlichen Rentnern liegt bei unter zehn Prozent. Nötig seien bessere und finanzierbare Absicherungsmöglichkeiten, so Rische. Privatversicherer und betriebliche Versorger seien „in der Pflicht“ und müssten entsprechend Druck bekommen.

Der Blick auf die Grundsicherung offenbart auch die zweite Risikogruppe. Mehr als 50 Prozent der Bezieher erhalten nicht etwa eine zu niedrige Rente aufgestockt, sondern haben überhaupt keine Rentenansprüche. Mit Minijobbern, Klein- und Scheinselbständigen nähmen lückenhafte Versicherungsbiografien deutlich zu, warnte Rische. Seine Empfehlung: eine Pflichtversicherung für alle Erwerbstätigen, wie in anderen europäischen Staaten üblich. Ausgenommen bleiben sollten nur anderweitig abgesicherte Selbständige.

Ebenfalls hochgradig gefährdet sind die Langzeitarbeitslosen. Dank der spärlichen Zahlungen der Bundesagentur erhöht sich ihre Rente pro Jahr Arbeitslosigkeit derzeit um 2,17 Euro – eine Sicherung gegen Altersarmut sei das nicht gerade, spottete Rische. Ihm zufolge wäre es hier auch nicht mit einer Verdopplung getan. Überlegenswert sei eine Rentenanwartschaft von rund 60 Prozent des letzten Arbeitsentgelts. Für Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs liegt die Anwartschaft derzeit immerhin bei 80 Prozent.

Armutsgefahr drohe zudem durch die „beobachtbare Ausweitung des Niedriglohnsektors“. Sollte sich dieser verdoppeln, so Rische, könne man „die lohnbezogenen Alterssicherungssysteme auf den Müll der Geschichte schmeißen“ und mit steuerfinanzierter Grundsicherung „nur noch die Not bekämpfen“. Die Rentenversicherer könnten die Ergebnisse der Lohn- und Arbeitsmarktpolitik nicht nachträglich korrigieren. Auch für Mindestlöhne wollte sich Rische nicht verwenden. Jedoch müssten die Tarifpartner bei der Lohnfindung wieder stärker an die Alterssicherung der Beschäftigten denken, forderte er. Rainer Woratschka

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