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Kanzlerin Angela Merkel würdigte Peter Hintze als eine herausragende Persönlichkeit.

© dpa

Nachruf auf Peter Hintze: Eine der still prägenden Gestalten der Republik

Peter Hintze war ein liberaler, beweglicher Geist, blitzschnell im Kopf und mit der Zunge. Nun ist er im Alter von 66 Jahren gestorben. Ein Nachruf.

Von Robert Birnbaum

Jeder kennt solche Menschen – im Freundeskreis, in der Firma, in der Politik. Sie sind immer dabei, immer mit vollem Herzen - und immer einen halben Schritt im Hintergrund. So einer war Peter Hintze. Ältere erinnern sich an ihn noch als Helmut Kohls letzten Generalsekretär, Jüngeren mag er mal kurz als Vizepräsident des Bundestags ins Blickfeld gerutscht sein. Seine wirkliche Bedeutung war an Titeln und Ämtern nie abzulesen. Ohne den Rheinländer wäre Helmut Kohl wohl früher zum Rentner und Angela Merkel ganz sicher eine andere geworden. In der Nacht zu Sonntag ist er an Krebs gestorben, 66 Jahre alt, eine der still prägenden Gestalten der Republik.

Hintze, 1950 in Honnef bei Bonn geboren, kam auf einem kurzen Umweg früh zur Politik. Er studierte in Bonn und Wuppertal Theologie in den wilden 68er Jahre, ging dann kurz als evangelischer Pfarrer nach Königswinter, tauchte aber schon nach drei Jahren 1983 als Bundesbeauftragter für den Zivildienst im politischen Getümmel auf. Im aufgeheizten Klima der Nachrüstungsdebatten war der Job schon an sich eine Provokation. Für die rheinische CDU, in der Partei ohnehin kollektiv unter Linksverdacht, zog er 1990 auf der Liste in den Bundestag ein.

Kein Vierteljahr später holte ihn die Frau an ihre Seite, die ihn und die er prägen sollte: Die frischbackene Ministerin für Frauen und Jugend brauchte einen Parlamentarischen Staatssekretär, vor allem aber einen, der ihr diese fremde Bonner Republik erklärte. Kohls „Mädchen“ hatte einen Mentor gefunden. Von seinen frühen Nachhilfestunden für die DDR-Bewohnerin bis zur Willkommenskanzlerin führt ein logischer Weg.

Denn Hintze war ein liberaler, beweglicher Geist, blitzschnell im Kopf und mit der Zunge. Als ihn Helmut Kohl ein Jahr später 1992 zum Generalsekretär machte, wird er kaum geahnt haben, dass der aufgeschossene, immer etwas gebeugt stehende Kerl mit der runden Brille begeisterter „Pardon“-Leser war, des Satireblatts, das den Kanzler „Birne“ zum Gespött machte. Aber Hintze konnte eben um die Ecke denken. Zwei Jahre später landete er mit der „Rote Socken“-Wahlkampagne gegen die PDS einen dialektischen Coup: Die rote Ex-Staatspartei zog auch dank der Aufmerksamkeit durch das Socken-Plakat in den Bundestag ein – und blockierte die Mehrheit für Rot-Grün und den blassen SPD-Kanzlerkandidaten Rudolf Scharping.

Vier Jahre später verfing die Neuauflage nicht mehr. Die Anspielung auf das „Händedruck“-Motiv, das die Zwangsvereinigung von SPD und SED in der DDR symbolisierte, war jetzt zu leicht als Trick durchschaubar. Außerdem konnte die SPD mit Gerhard Schröder erstmals seit langem wieder einen echten Hoffnungsträger aufbieten. Und Kohls Zeit war vorbei.

Er half, die Basis für Merkels Aufstieg zu legen

Hintze hatte versucht, den Niedergang aufzuhalten. Doch das „Frauenquorum“, mit dem er der immer noch männerdominierten Partei ein modernes Image und neue Wählerinnen verschaffen wollte, fiel beim Karlsruher Parteitag durch. Es gehört zur Ironie seiner Geschichte, dass die Ex-DDR-Frauen in der CDU den Vorschlag kippten, weil sie sich emanzipiert genug fanden – der Mann, der Angela Merkel den Westen erklärte, hatte den Osten nicht gut genug verstanden.

Aber er sollte rasch mithelfen, die Basis für Merkels Aufstieg aus der Asche der erst vom Machtverlust und dann der Spendenaffäre erschütterten CDU zu legen. Hintze brachte jenen Kreis von Jungen Wilden mit der Parteivorsitzenden in Kontakt, die mit Forderungen für ein Einwanderungsgesetz und schwarz-grünen Pizzarunden Kohls Zorn erregt hatten. Sie hießen zum Beispiel Peter Altmaier und Norbert Röttgen, Hermann Gröhe und Ronald Pofalla. Man traf sich zu abendlichen Gesprächsrunden, und jeder wusste: Wer darüber plauderte, war raus.

Als es Merkel 2005 geschafft hatte, blieb Hintze unauffällig weiter in der Nähe – in der Halbdistanz des Parlamentarischen Staatssekretärs im Wirtschaftsministerium, als Koordinator für Luft- und Raumfahrt. In die erste Reihe wollte er nicht. Er kannte den Preis des Scheinwerferlichts. In der jetzigen Regierung hätte ihn Merkel gerne als Staatsminister im Kanzleramt um sich gehabt. Doch er ging ins Ehrenamt im Parlamentspräsidium. Für seine Überzeugungen stand er immer ein; im Streit um das Verbot der Präimplantationsdiagnostik auch gegen die eigene Kirche. Peter Hintze war ein Mensch mit warmem Herzen und heißem Verstand. Jeder kennt solche Menschen. Und trotzdem - es gab und es gibt nicht viele von seiner Art.

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