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Politik: Zum Üben nach Brüssel

Schon ein Jahr vor ihrem EU-Beitritt dürfen die Neuen mitberaten

Die Zukunft hat in Brüssel und Straßburg schon begonnen: Von diesem Monat an nehmen Vertreter der EU-Beitrittsländer an fast allen Beratungen der Europäischen Union teil – obwohl die zehn Neuen erst in einem Jahr, am 1. Mai 2004, formell dazugehören.

Abstimmen und beschließen dürfen die offiziell als Beobachter entsandten Politiker, Beamten und Parlamentarier allerdings noch nicht. Im Brüsseler EU-Ministerrat, in dem die Regierungen vertreten sind, können sie aber schon jetzt mitreden, ihre Argumente und Interessen einbringen. Und in der täglichen Praxis lernen, wie das Brüsseler Politik-Räderwerk funktioniert.

,,Von der nächsten Woche an beginnt auch im Europaparlament eine neue Epoche", sagt der Vizepräsident des Straßburger EU-Parlaments, der CSU-Abgeordnete Ingo Friedrich. Erstmals werden die 162 Beobachter aus den zehn Parlamenten der Beitrittsländer an den Fraktionssitzungen der EU-Parteien teilnehmen. In der darauf folgenden Woche sitzen sie dann auch im Plenum – politisch allerdings am Katzentisch. Die Handwerker haben den großen Sitzungssaal zwar schon umgebaut, damit dort 788 Parlamentarier Platz finden. Abstimmen und im Plenum reden dürfen die Beobachter aber noch nicht. Nur in den Ausschüssen und Fraktionen haben sie bereits Rederecht.

Die Probe- und Übungsphase werden alle brauchen. Der parlamentarische Stil in Osteuropa ist nämlich weit rüder als der im Westen. Auseinandersetzungen gehen dort oft deutlich über die Anstandsgrenze hinaus. Im EU-Parlament pflegt man dagegen freundlich-höflichen und kooperativen Umgang. Lernen und üben muss jedoch auch das alte Straßburger Haus. ,,Das Europaparlament wird jetzt heterogener, das Spektrum der Meinungen wird breiter", sagt Friedrich. Man müsse in den kommenden Monaten ,,austesten", wie sich die unterschiedlichen Meinungen am besten integrieren lassen.

Für einige wird es schon aus praktischen Gründen nicht einfach sein, sich Gehör zu verschaffen. Künftig werden in der EU statt elf insgesamt 19 oder – mit Maltesisch – 20 Sprachen gesprochen. Der Sprachendienst in Brüssel und Straßburg hat aber größte Schwierigkeiten, entsprechende Dolmetscher zu finden. Wer ist schon in der Lage, vom Litauischen ins Portugiesische zu übersetzen? Auch wenn künftig mehr über die so genannten Relaissprachen Englisch, Französisch und Deutsch übersetzt wird – vom Litauischen ins Englische und dann erst ins Portugiesische – muss der Dolmetscherdienst erheblich ausgebaut werden. Als interne Folgekosten der Erweiterung veranschlagt das EU-Parlament für nächstes Jahr 182 Millionen Euro – davon ein Drittel für den Sprachendienst.

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