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Politik: Zum Wohle des Kunden

EU-Justizkommissarin Viviane Reding will mit einem neuen Kauf- und Datenschutzrecht das Vertrauen der Bürger gewinnen.

Berlin - Es ist ein Riesenmarkt, doch weder Firmen noch Verbraucher nutzen ihn. Wer nicht nur im eigenen Land einkauft, sondern sich – via Internet – auch in anderen Staaten der EU umschaut, hat eine 16-mal größere Auswahl. Theoretisch. Doch praktisch scheuen sowohl Anbieter als auch Kunden vor dem grenzenlosen Shopping zurück. Aus Angst, übers Ohr gehauen zu werden, bestellen 81 Prozent der EU-Bürger nur im eigenen Land. Angst haben aber auch die Anbieter. Weil sie keine Lust haben, sich in 27 verschiedene Gesetzesbücher zum Kaufrecht einzulesen, bieten 90 Prozent der Unternehmen ihre Waren nicht EU-weit an.

EU-Justizkommissarin Viviane Reding gefällt das nicht. Die Luxemburgerin will die 500 Millionen Bewohner der EU ermuntern, Grenzen zu überwinden. Um das zu erleichtern, soll es künftig ein europaweit einheitliches Kaufrecht geben. Auf Wunsch sollen Käufer und Verkäufer dieses EU-Recht statt der nationalen Gesetze wählen können. Noch vor dem Sommer sollen Europaparlament und EU-Rat das Vorhaben verabschieden, in zwei Jahren könnte die Verordnung in Kraft treten, sagte Reding am Donnerstag – einen Tag vor dem Weltverbrauchertag – in Berlin. In Deutschland sieht man die Verordnung jedoch kritisch. In einer Stellungnahme des Bundestags heißt es, die Verordnung verstoße gegen das Subsidiaritätsprinzip. Das besagt, dass sich die EU aus allem heraushalten muss, was die Mitgliedstaaten selber regeln können.

Um das Vertrauen der Bürger in grenzüberschreitende Geschäfte zu stärken, will die EU zudem stärker gegen schwarze Schafe vorgehen. Bereits seit 2005 schützt eine Richtlinie Kunden vor Lockvogelangeboten und anderen falschen Versprechungen. Doch Papier ist geduldig. Firmen, die gegen diese Grundsätze verstoßen, kommen oft ungeschoren davon, räumt Reding ein – auch weil die Richtlinie nicht in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen umgesetzt worden ist. „Die Betrüger haben zu viele Schlupflöcher“, kritisiert Reding. Deshalb will die EU-Kommissarin am Montag auf einem Verbrauchergipfel über Gegenmaßnahmen beraten. Explizit soll es dabei auch um Apple gehen. Die Amerikaner bieten für ihre Geräte eine kostenlose einjährige Garantie an, wer die Garantie um ein weiteres Jahr verlängern will, muss zahlen. Ein klarer Verstoß gegen EU-Recht, ärgert sich Reding über die „Veräppelung“ der Konsumenten. Nach EU-Recht haben Verbraucher nämlich sowieso Anspruch auf eine zweijährige Garantie – ohne dafür irgendetwas zahlen zu müssen.

Streit gibt es auch wegen der geplanten Reform des Datenschutzrechts. Die bestehende Regelung stammt von 1995, „damals war Facebook-Gründer Zuckerberg gerade einmal elf Jahre alt“, merkt Reding an. Mit ihrer neuen Verordnung will die Kommissarin das Recht auf den neuesten Stand bringen. Die Bürger sollen bestimmen, welche Daten im Netz erscheinen und wann sie wieder verschwinden müssen. Unternehmen müssen die Verbraucher um Zustimmung bitten, wenn sie deren Daten weiterverbreiten wollen. Und sollten Daten gehackt werden, müssen die Bürger umgehend alarmiert werden. Obwohl sich Reding und die deutsche Regierung einig sind, dass man eine europäische Datenschutzreform braucht, liegt man in vielen Einzelfragen noch auseinander. „Wir haben noch ein ganzes Bündel von Fragen“, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums.

Daten- und Verbraucherschützer warnten dagegen am Donnerstag vor einer Aufweichung der Vorgaben. So soll nach dem Verordnungsentwurf bei einem „berechtigten Interesse“ eine Weitergabe der Daten auch ohne Einwilligung möglich sein. Das Prinzip der Einwilligung müsse „beibehalten und gestärkt werden“, forderte der Bundesverband der Verbraucherzentralen. „Jedes personenbeziehbare Datum muss geschützt werden, es darf keine grundrechtsfreien Räume geben, und Einwilligungen müssen ausdrücklich erteilt werden“, betonten die Datenschutzbeauftragten der Länder und des Bundes.Heike Jahberg

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