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Politik: Zumafikation

Südafrikas Präsident geht immer schärfer gegen Presse und Justiz vor. Der regierende ANC bewegt sich in Richtung eines Einparteienstaates.

Als Jacob Zuma vor drei Jahren Präsident von Südafrika wurde, versprach er den Menschen am Kap einen Neuanfang. Nach der enttäuschenden Präsidentschaft seines Vorgängers Thabo Mbeki, eines Aids-Leugners, wollte Zuma das gespaltene Land neu zusammenführen und der Welt als Vorbild präsentieren. Die Korrektur der realitätsblinden Aids-Politik seines Vorgängers wurde allgemein mit Erleichterung aufgenommen. Auch die erfolgreiche Ausrichtung der Fußball-WM sorgte vorübergehend für gute Stimmung im Land und stärkte dessen Ansehen in der Welt. Doch von Beginn an war völlig unklar, wofür Zuma eigentlich steht. Daheim klang er oft wie ein schwarzer Nationalist, der eine immer stärkere Dominanz des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) in allen gesellschaftlichen Sphären wollte. Im Ausland redete er gerne Investoren nach dem Mund und versprach ein wirtschaftsfreundliches Umfeld. Klare Positionen bezog er jedoch nicht. Pessimisten warnten frühzeitig davor, dass Zuma allein am eigenen Machterhalt interessiert sei – und die exemplarische Verfassung des Landes deshalb früher oder später in den Papierkorb werfen werde.

Inzwischen scheinen sich zumindest einige der Befürchtungen zu bewahrheiten. Immer deutlicher wird, dass Zuma seine politischen Schulden gegenüber alten Verbündeten wie etwa den (militanten) Gewerkschaften begleicht – und gleichzeitig immer schärfer gegen Presse und Justiz vorgeht. Gerade erst hat der mit komfortabler Mehrheit regierende ANC verkündet, im Zuge einer „zweiten Transformation“ Südafrikas die Gerichte einer Überprüfung zu unterziehen, da sie – aber auch die Verfassung – womöglich den heutigen Anforderungen des Landes nicht mehr gerecht würden. Besonders empört ist die Regierung über jene Richter, die Zuma zuletzt mehrfach für personelle wie politische Fehlentscheidungen gerügt haben.

Südafrikas Staatschef versteht offenbar die Grundlage einer Demokratie nicht, zu der das Konzept der Machtteilung zwischen Staat und Justiz zählt. Mehrfach hat Zuma zuletzt Richter nach für ihn negativen Urteilen davor gewarnt, das Terrain des Staates zu betreten. Der Präsident meint, Richter seien nicht vom Volk gewählt und hätten deshalb kein Anrecht darauf, sich in die Politik der Regierung einzumischen. Selbst die Urteile des Verfassungsgerichts will Zuma einer Überprüfung unterziehen, um sicherzustellen, dass diese mit der vom Staat forcierten „Transformation“ in Einklang stünden.

In Südafrika bedeutet das Wort Transformation nichts anderes als die offene Bevorzugung jener Gruppen, die unter der Apartheid diskriminiert wurden. Wer die Regierung kritisiert, wird deshalb schnell als Transformationsbremse oder Besitzstandswahrer verteufelt. Kein Wunder, dass der ANC für regierungskritische Gerichtsurteile inzwischen oft „konterrevolutionäre Richter“ verantwortlich macht. Man könnte glauben, die einstige Widerstandsbewegung befinde sich noch immer mitten im Befreiungskampf.

Immer deutlicher zeigt sich, dass der ANC die Gesellschaft nun nach seinen eigenen ideologischen Vorstellungen umbauen möchte. Manche Kritiker sehen darin Parallelen zur Apartheidregierung, die ebenfalls eine ideologisch motivierte Umgestaltung der Gesellschaft nach Rassenkriterien anstrebte, aber damit am Ende spektakulär scheiterte. Die liberale Opposition hat dieses Vorhaben als „Zumafikation“ staatlicher Institutionen beschrieben, darunter die Polizei, das Staatsfernsehen und die Strafverfolgungsbehörden. Ziel es sei, dem Präsidenten und seinen politischen Freunden die volle Kontrolle über den Staat zu geben – und sie vor einer in der Verfassung verankerten Überwachung durch unabhängige Institutionen zu schützen.

Während Nelson Mandela die Verfassung stets respektierte und in vielerlei Hinsicht versinnbildlichte, fühlen sich seine heutigen Nachfolger dem international als vorbildlich gelobten Dokument immer weniger verpflichtet. „Sie wollen die Verfassung nicht nur verändern, sondern sie aushöhlen, ihr Innerstes beseitigen und der Gesellschaft am Kap ihre eigenen Vorstellungen aufzwingen“, warnt Barney Mthombothi, Chefredakteur der Wochenzeitung „Financial Mail“. An der Spitze dieser Bewegung befinde sich Zuma selber. Vor seinem Machtantritt war dieser der Korruption angeklagt, die Erfahrungen, die er damals mit den Gerichten machte, prägt seine heutige Einstellung gegenüber der Justiz.

Der Wunsch des ANC nach uneingeschränkter Macht erklärt auch, weshalb viele Südafrikaner bei jeder Erkrankung Mandelas in Panik verfallen. Viele glauben, dass die konstitutionelle Demokratie am Kap nur dank der physischen Präsenz des Freiheitskämpfers überlebt – und dass sie Mandelas Tod nicht überdauern wird. Dieser Fatalismus hat sicherlich viel mit Mandelas übergroßem Schatten auf Südafrika zu tun. Er ist aber auch eine instinktive Reaktion auf den schwindenden Respekt der gegenwärtigen Machthaber für die Verfassung. Zumal immer größere Kreise im ANC glauben, dass die liberale Verfassung mit der darin verankerten Gewaltenteilung ein Fehler war, den es zu korrigieren gilt.

Südafrika zeigt von Neuem, dass allgemeine Wahlen und eine vorbildliche Verfassung für eine Demokratie zwar notwendig, aber keineswegs hinreichend sind. Was eine Demokratie vor allem braucht, sind Demokraten. Doch genau daran mangelt es am Kap. Noch hat das Land zwar eine effektive Opposition und aktive Zivilgesellschaft, die den Machtmissbrauch moniert. Doch angesichts des totalen Machtanspruchs von Mandelas Erben und ihrer immer schrilleren Drohungen gegen Justiz und Presse zeigen sich nun auch am Kap immer stärker die Konturen eines vom ANC gleichgeschalteten Einparteienstaates.

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