zum Hauptinhalt

Politik: Zur eigenen Sicherheit

Ein neues Gesetz soll Silvio Berlusconi vor einem Gerichtsverfahren bewahren

Zuletzt waren einige von ihnen in Kabul stationiert, nun sollen sie zu Hause für Ordnung sorgen. 2500 Soldaten werden künftig durch die Straßen der italienischen Großstädte patrouillieren. Sie sollen jenen „Akt der Liebe und der Großzügigkeit“ vollziehen, den Verteidigungsminister Ignazio La Russa den Bürgern versprochen hat: Sie sollen das Gefühl von Sicherheit vermitteln. „Danach fragt das Volk, 82 Prozent sind dafür“, sagt der Rechtskonservative, der sich auf eine Blitzumfrage im Fernsehen beruft.

„Ja sind wir denn in Bogota, mit bewaffneten Aufständlern vor der Haustür?“, fragt die Opposition zurück. „Haben wir Italien den Krieg erklärt?“, lässt der populäre Karikaturist Emilio Giannelli ein marschbereites Bataillon von Uniformierten fragen. Dass sich die Italiener immer stärker bedroht fühlen, das bestätigen alle Studien, aber Turins linker Bürgermeister Sergio Chiamparini meint, jetzt auch noch Soldaten auf die Straßen zu schicken, das bedeute, den Italiener in ihrem Gefühl nur recht zu geben: „Das ist Demagogie. Wir schütten Öl ins Feuer.“

Tatsächlich ist die „gefühlte Unsicherheit“ weitaus stärker gewachsen als die Verbrechensrate: 4,9 Delikte auf hundert Einwohner zählte man 2007. Im Jahr davor waren es 4,7. Dabei sind Autodiebstähle zurückgegangen, Wohnungseinbrüche haben zugenommen.

Selbst Verteidigungsminister La Russa räumt ein, dass in der Summe von einem tatsächlichen Notstand keine Rede sein kann: „Selbst wenn die Kriminalität in absoluten oder statistischen Zahlen nicht gewachsen sein sollte, so hat doch das Gefühl einer veränderten, einer verwilderten Gewalt zugenommen.“ Innenminister Roberto Maroni war denn auch gegen den Heereseinsatz, er glaubte, mit Italiens so vielfältigen Polizeien auszukommen. Allerdings gehören die beiden Minister verschiedenen Rechtsparteien an: Maroni der Lega Nord, La Russa der Alleanza Nazionale. Beide hatten im Frühjahr die Sicherheit zu ihrem erfolgreichen Wahlkampfthema gemach.

Der Einsatz der Soldaten gehört zu dem „Sicherheitspaket“, das Berlusconi nach dem Regierungsantritt im Mai lancierte, das die Themen Kriminalität und Ausländer verknüpfte – und das Berlusconis Popularität stark hat ansteigen lassen. Der zweite Grund dafür war das entschlossene Vorgehen in der neapolitanischen Müllkrise, der dritte die populistische Kampagne gegen „Faulpelze“ im öffentlichen Dienst. 59 Prozent der Italiener sprechen Berlusconi heute ihr Vertrauen aus.

In sein Sicherheitspaket hat Berlusconi aber auch eine Bestimmung in eigener Sache geschmuggelt: Gerichtsverfahren für leichtere und mittelschwere Straftaten, die vor 2002 begangen worden sind, sollen für ein Jahr eingefroren werden. Die Justiz soll, so lautet die Begründung, Spielraum bekommen für die Ahndung „sicherheitsrelevanter“ Verbrechen wie Morde, Terrorismus, Mafiadelikte. Italiens Kommentatoren weisen nun darauf hin, dass eine von Berlusconi geführte Regierung damit wieder einmal auf die Verfolgung von Wirtschaftsstraftaten, von Korruption, von Umweltsünden und anderen Delikten verzichte. Vor allem aber rettet Berlusconi durch das Gesetz seine eigene Haut: In Mailand geht gerade ein Prozess in die Endrunde, in dem ihm ein Schuldspruch wegen Bestechung droht. Beim britischen Anwalt David Mills soll sich der damalige Fernsehunternehmer Berlusconi 1998 Falschaussagen erkauft haben, um in einer Korruptionsaffäre seines Mediaset-Konzerns nicht verurteilt zu werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false