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Die Zentrale der SPD. Wohin will die Partei, wer ist sie?

© dpa

Zur Lage der Sozialdemokraten: Die SPD braucht einen Psychotherapeuten

Die SPD nimmt die Wirklichkeit in der deutschen Gesellschaft nur ungern wahr. Deshalb ist ihre Situation ernst - bitterernst. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Die Partei steht am Abgrund – und ist morgen einen Schritt weiter? Ja, so hört man gerade einige über die SPD reden. Ein Witz ist das nicht. Der großen Sozialdemokratie geht es dreckig, nur will sie es nicht wissen. Genauer: Ihre Funktionäre wollen es nicht.

Der Befund ist klar. Die SPD ist in der großen Koalition, und sie hat das Gefühl, sie wird immer kleiner. Wie beim vergangenen Mal, als Angela Merkel sie klein koalierte. Dieses Mal ist es zwar anders, die Partei stabilisiert sich, die Leute sind auch mit der Arbeit insgesamt zufrieden. Aber wen kümmert das schon. Die da oben die Partei darstellen, nach ihrer Vorstellung, haben ihr Vorurteil, dass die SPD nicht profitiert.

Doch, tut sie! Indem sie unter einer höchst beliebten Präsidialkanzlerin, die die Republik so noch nicht gesehen hat, nicht verliert. Das ist doch schon mal was. Anstatt nun die Nerven zu bewahren, weiter anständige Arbeit abzuliefern und abzuwarten, bis sich das auszahlt, verlieren viel zu viele die Geduld. Beileibe nicht nur der Parteichef, Sigmar Gabriel, dem man das ja bekanntermaßen als Allererstem zutraut.

Die SPD muss sich kritisch betrachten

Muss also dringend der Kurs geändert, das Ruder herumgerissen werden? Abgesehen davon, dass vor Jahren Peter Glotz als Generalsekretär das Bild vom Tanker geprägt hat, der nicht mal eben so umgesteuert werden kann, ist doch sehr die Frage, ob das richtig wäre. Denn es ist längst nicht ausgemacht, dass die Union ohne ihre Präsidialkanzlerin mit deren Kurs unverändert erfolgreich wäre. Nicht wenige im Unionslager fürchten die Zeit nach Merkel ja selbst.

Was allerdings richtig wäre: dass die SPD sich mal kritisch selbst betrachtet. Eigentlich bräuchte sie einen Psychotherapeuten, der ihr das eigene Verhalten spiegelt. Wobei, das könnte sie haben – wenn sie sich Wählern, Interessierten, Sympathisanten öffnete. Die SPD nimmt die Wirklichkeit (in der Gesellschaft) doch ungern wahr und nur sich selbst ernst. Umgekehrt wäre es besser. Darum wird es ernst. Ist es schon bitterernst.

Man hat den Eindruck, die Funktionsträger schließen sich ab

Als Sigmar Gabriel vor ein paar Jahren Vorsitzender wurde, forderte er die Genossen auf, offen zu sein, rauszugehen ins Leben, wo es anstrengend ist, wo es brodelt, riecht, manchmal auch stinkt. Von wegen. Man hat den Eindruck, dass die sogenannten Funktionsträger sich abschließen, um nur ja unter sich zu bleiben. Anstatt immer wieder offene regionale Foren zu wichtigen Themen zu machen. Oder einfach nur mal zu hören, was die Mitglieder so reden über Vorratsdatenspeicherung, TTIP, "Grexit". Nicht um dem das Wort zu reden, sondern um den Leuten aufs Maul zu schauen. Um zu lernen, mit welcher Wirklichkeit die SPD als Partei umzugehen hat.

Dogmen können andere besser

Wohin will sie, wer ist sie? Wenn die SPD die Partei der Leute sein will, die um Aufstieg bemüht sind, die des kleinen Mittelstands, der Facharbeiter, überhaupt aller mitten im Leben, dann muss sie diesen Menschen zuhören (wollen). Die reden und denken nicht alle wie Syriza oder wie ihre zweite Abspaltung, die Linkspartei. Anders ausgedrückt: Selbst Willy Brandt war nicht bloß links. Oder Kurt Schumacher. Oder Engholm, Vogel, Lafontaine, Schröder, Müntefering, Platzeck, Beck. Linke? Manche waren nah am Menschen. Mit Erfolg.

Öffnet sich die SPD nicht fürs Leben, bleibt sie sich selbst genug, braucht sie keiner. Dogmen können andere besser. Und was sie dann riecht, ist eigener Mief.

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