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ROMANIA-CZECH-KLAUS

© AFP

ZUR PERSON: Wer ist Vaclav Klaus?

Tschechien übernimmt ab Januar den EU-Vorsitz. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes und mitten in einer der größten Finanzkrisen. Doch das Staatsoberhaupt mag Europa nicht.

Was hat Vaclav Klaus gegen die EU?

Tschechiens Staatspräsident Vaclav Klaus würde nie sagen, dass er etwas gegen die Europäische Union habe. Er formuliert das eleganter: „Die EU ist nützlich, und es war die richtige Entscheidung, dass wir ihr 2004 beigetreten sind, aber die Union sollte eine Freihandelszone sein und kein System von integrierten Bundesstaaten.“ Damit wird deutlich, dass er gegen den europapolitischen Kurs ist, auf den sich die Regierungen aller Mitgliedsländer verständigt haben. Eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, ein stärkeres und einiges Europa in der internationalen Politik, eine koordinierte Wirtschaftspolitik – das alles lehnt Klaus vehement ab.

Hinter seiner Haltung steht die Sorge, dass Tschechien seine Eigenständigkeit verlieren könnte. Klaus begründet das historisch. Bis vor knapp 20 Jahren lag Prag in der Einflusssphäre der Sowjetunion, während der Nazidiktatur war es von den Deutschen besetzt und vor 1918 für einige Jahrhunderte von der Habsburger-Monarchie dominiert. Jetzt, da Tschechien endlich souverän über seinen Weg entscheiden könne, dürfe man auf keinen Fall Kompetenzen nach Brüssel übertragen. Im Land wirbt der Staatspräsident daher für eine Ablehnung des Lissabon-Vertrags, der eine weitere Integration der EU zum Ziel hat und vom tschechischen Parlament noch nicht ratifiziert worden ist. Klaus befürchtet, dass Tschechien an Mitsprachemöglichkeiten auf europäischer Ebene verliert. Damit änderten sich die Bedingungen der tschechischen Mitgliedschaft, so argumentiert er, mit denen sich die Bürger beim Referendum über den EU-Beitritt einverstanden erklärt hätten.

Was ist von der EU-Ratspräsidentschaft Tschechiens zu erwarten?

Die Aufgaben für den Prager EU-Vorsitz sind gewaltig, und gerade deshalb sind viele europäische Politiker skeptisch, ob die Tschechen ihrer Rolle gewachsen sind. Für das Zehn-Millionen-Einwohner-Land ist es das erste Mal, das es an der Spitze der EU steht. Die rhetorischen Querschläger von Vaclav Klaus, mit denen er in den vergangenen Wochen die Stimmung gegen die Union anzuheizen versuchte, irritieren indes. Zwar wird rein formell der europafreundlichere Premierminister Mirek Topolanek EU-Präsident. Aber der international kaum bekannte Regierungschef wird von Klaus mit seinen markigen Aussagen übertönt.

Dass sich Klaus während der Ratspräsidentschaft im Interesse des Landes zurückhält, ist nicht zu erwarten. Bereits im Vorfeld nutzt er jede Chance zur Provokation. Auf der Prager Burg, seinem offiziellen Amtssitz, hat er die Beflaggung mit der EU-Fahne streng untersagt, Tschechien sei schließlich keine Kolonie der EU. Und erst vor einigen Wochen bei seinem Staatsbesuch in Irland traf er sich mit Declan Ganley, dem Initiator der irischen Anti-EU-Bewegung. Er sei ein europäischer Dissident, verkündete Klaus bei dieser Gelegenheit und brüskierte damit die gastgebende Regierung in Dublin. Öffentlichkeitswirksam überlegt der eigentlich zur Über parteilichkeit verpflichtete Klaus derzeit, in Tschechien eine antieuropäische Partei zu gründen. Beobachter vermuten, dass er die internationale Aufmerksamkeit vor der tschechischen Ratspräsidentschaft ausnutzen will, um sich an die Spitze der EU-Kritiker zu setzen.

Die wichtigen Probleme, die in der EU gelöst werden müssen, geraten angesichts solcher Manöver in den Hintergrund. Der tschechische Premierminister Topolanek wird schwierige Verhandlungen führen müssen. Es geht um die Grundlagen einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik, mit der die Auswirkungen der Finanzkrise gelindert werden sollen. Auch die schleppende Ratifizierung des Lissabon-Vertrags dürfte auf der Tagesordnung seiner Präsidentschaft stehen.


Welche innenpolitische Rolle spielt Klaus?

Vaclav Klaus ist aus politischer Sicht unantastbar. Als Staatspräsident kann er nach der tschechischen Verfassung nicht abberufen werden, seine fünfjährige Amtszeit lässt sich unter normalen Umständen nicht verkürzen. Da er gerade erst im Frühjahr in seine zweite und damit ohnehin letzte Amtszeit gewählt wurde, muss er für sein extravagantes Auftreten nicht mit politischen Kon sequenzen rechnen. Formell ist seine Funktion rein repräsentativ. Allerdings lässt die tschechische Verfassung einigen Interpretationsspielraum. „Es bleibt Raum für die Persönlichkeit des jeweiligen Amtsinhabers“, sagen tschechische Verfassungsexperten dazu. So kann der Präsident etwa ein verabschiedetes Gesetz wieder ans Parlament zurückgeben, ohne es zu unterzeichnen. Eigentlich sollte das der Ausnahmefall bleiben, aber Klaus macht von diesem Recht regel mäßig Gebrauch und greift so direkt in die Tagespolitik ein. Auch mit seiner Art, ständig wahlweise Minister, den Regierungschef oder die Opposition zu kritisieren, mischt er sich unbestreitbar ein.

An den Fall, dass der Staatspräsident auf internationaler Bühne eine Meinung vertritt, die dem Kurs der Regierung komplementär widerspricht, haben die Verfassungsväter in Tschechien offenbar nicht gedacht. Wenn Klaus also offen die EU kritisiert oder vor der UN-Vollversammlung den Klimawandel bestreitet, kann die Regierung ihn nicht zurück rufen – sie kann lediglich anschließend Schadensbegrenzung betreiben. Dem Vorgänger von Premierminister Topolanek ist es allerdings mit einem Trick gelungen, den Präsidenten zumindest kurzfristig etwas zu bändigen: Er drohte damit, kurzerhand das präsidiale Reise budget zu streichen, damit er nicht mehr eigenmächtig im Ausland seine Privatmeinung verkünden könne.

Derzeit sieht es immerhin so aus, als könnten sich die Alleingänge von Klaus rächen. Nach aktuellen Meinungsumfragen hat seine Beliebtheit in den vergangenen Wochen stark gelitten. Viele Tschechen erklärten, der Präsident füge mit seinem Verhalten dem Ansehen des eigenen Landes nachhaltig Schaden zu.

Welche Überzeugungen haben ihn geprägt?

Hinter allen Zielen des tschechischen Präsidenten steht sein Glauben an eine neoliberale Marktwirtschaft. Ein schwacher Staat, Deregulierung, das ungehinderte Spiel der Marktkräfte – daraus leitet er seine Haltung in anderen Fragen ab. Die EU etwa kritisiert er wegen ihrer vermeintlichen Regulierungswut und der Bestrebung, Kompetenzen in Brüssel zu bündeln – mit seinem Freiheitsideal passe das nicht zusammen. Das Gleiche gilt in der Umweltpolitik, wenn er die Bestrebungen zum Klimaschutz hysterisch und kontraproduktiv nennt. „Blauer Planet in grünen Fesseln“ heißt das Buch, in dem er den „Ökoaktivismus“ scharf angreift, weil dieser zu einer unnötigen Einschränkung der Wirtschaft führe.

Dieser Kampf um den ungebremsten Liberalismus ist eine Konstante seiner Karriere. „Sie wissen ja, ich ändere meine Meinung nicht“, sagte er unlängst zu seinen Anhängern. Tschechische Zeitungen spotten inzwischen gerne über seine Ansichten. „Die Welt hat sich in den vergangenen Jahrzehnten komplett verändert“, schrieb ein Kommentator, „einzig Vaclav Klaus ist da stehen geblieben, wo er schon vor 20 Jahren war.“

Zur Person

Vaclav Klaus wurde am 19. Juni 1941 geboren. Seine Eltern lebten im noblen Prager Stadtviertel Vinohrady nahe dem berühmten Wenzelsplatz. Klaus studierte an der Prager Wirtschaftshochschule und im Zuge der gesellschaftlichen Liberalisierungen der 60er Jahre auch in Italien und den USA. Als Volkswirt arbeitete er in der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften und bei der Nationalbank. Seine politische Karriere begann er im Wendejahr 1989 als Finanzminister, 1991 gründete er die bürgerlich-demokratische Partei ODS. Von 1992 bis 1997 war er Premierminister und besiegelte dabei die Trennung der Tschechoslowakei. Seit 2003 ist er Tschechiens Staatspräsident. Klaus ist mit Livia Klausova verheiratet. Sie haben zwei Söhne und fünf Enkel.

Kilian Kirchgeßner[Prag]

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