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Politik: Zurück zum Recht

Der Status der Gefangenen auf Guantanamo bringt amerikanische Juristen gegen die US-Regierung auf – nun schreiten Gerichte ein

Seit zwei Jahren werden auf dem US-Marinestützpunkt Guantanamo auf Kuba 660 Gefangene ohne Anklage festgehalten. Die meisten davon wurden während des Afghanistan-Krieges als mutmaßliche Taliban- oder Al-Qaida-Anhänger verhaftet und deportiert. Sie haben keine Verbindung zur Außenwelt und keinen Kontakt zu Rechtsanwälten. Unter den Gefangenen sind auch drei Kinder im Alter zwischen 13 und 15 Jahren. Sie sind, getrennt von den Erwachsenen, im so genannten „Camp Iguana“ untergebracht. Dort dürfen sie zumindest Videos angucken.

Am liebsten sehen die Kinder Disney-Cartoons und Dokumentarfilme über das Meer. Um den wirklichen Ozean sehen zu können, wurde in den Bewachungszaun ein großes Fenster montiert. Unter den Videos gibt es nur einen Spielfilm. Er heißt „Cast Away“, Tom Hanks spielt darin einen Angestellten der Zustellfirma „FedEx“, dessen Flugzeug abstürzt. Hanks strandet auf einer tropischen Insel. Dort lebt er ganz allein viele Jahre lang.

Die erwachsenen Gefangenen, unter ihnen sind mehrere über 70 Jahre alt, hausen in „Camp Delta“. Ihre Bedingungen haben sich im Vergleich zu den ersten Monaten etwas verbessert. Auf jeden Zellenfußboden wurde ein Pfeil gemalt, der nach Mekka zeigt. „Makkah 12 793 Kilometer“, steht darunter. Fünf Mal am Tag ertönt der Muezzin. Der Status von Kriegsgefangenen jedoch wird den Inhaftierten nach wie vor verwehrt. Bald sollen einige von ihnen vor speziellen Militärkommissionen angeklagt werden. Mehr als 30 Selbstmordversuche hat es bereits gegeben.

Wegen dieser und anderer Praktiken im Kampf gegen den Terrorismus gerät die Regierung von Präsident Bush immer stärker unter Druck. Insbesondere die amerikanische Justiz erobert sich wichtige rechtsstaatliche Prinzipien zurück. Am 10. November intervenierte sogar das Oberste Gericht in Washington, der Supreme Court. Er beschloss, gegen den heftigen Widerstand der Regierung, ein Urteil über den Rechtsstatus der 660 Gefangenen zu fällen.

Was wiegt schwerer: das Recht des Präsidenten, bestimmte Personen zu „enemy combatants“ – feindlichen Kämpfern – und damit praktisch rechtlos zu erklären, oder die im internationalen Recht verbrieften Menschenrechte? Das Urteil wird nicht vor kommendem Sommer erwartet, doch das Weiße Haus ist nervös geworden. Im Tauziehen mit Anwälten und Bürgerrechtsorganisationen macht die Regierung immer mehr Zugeständnisse. Am Dienstag wurde zum ersten Mal einem der „enemy combatants“ erlaubt, einen Anwalt zu kontaktieren. Yaser Esam Hamdi ist amerikanischer Staatsbürger und wurde deshalb von Guantanamo in ein Militärgefängnis in South Carolina gebracht. Auch sein Fall liegt zur Entscheidung beim Supreme Court.

Im Gefängnis in South Carolina sitzt auch der Amerikaner Jose Padilla. Ihm wird vorgeworfen, das Zünden einer radioaktiven „schmutzigen“ Bombe geplant zu haben. Bislang hat ihm jedes Gericht das Recht auf einen Anwalt zugestanden, die Regierung ging jedesmal in Berufung. Jetzt ist das Verfahren beim Bundesberufungsgericht in New York anhängig. Das konfrontierte vor zwei Wochen den Anwalt der Regierung mit harschen Bemerkungen. Wahrscheinlich landet auch dieser Fall vor dem Obersten Gericht.

Ihren vorerst letzten Rückschlag erlitt die Regierung am Mittwoch. Ein Berufungsgericht in San Francisco erklärte Teile eines Anti-Terror-Gesetzes, auf das sich die Behörden bei Verhaftungen oft berufen, für verfassungswidrig. „Laut Interpretation der Regierung“, erklärte einer der drei Richter zur Begründung, „kann eine Frau juristisch belangt werden, die ein paar Kekse von einem Stand kauft, dessen Betreiber mit dem Erlös kurdischen Flüchtlingen helfen wollen.“

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