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Politik: Zurück zur Rechten

Netanjahu verlässt die Regierung Scharon – um sich an die Spitze der Abzugsgegner zu stellen

Der Schritt kam überraschend, nachdem der israelische Finanzminister Benjamin „Bibi“ Netanjahu in der letzten Zeit fast täglich Rücktrittsabsichten dementiert hatte. Doch nun ist er aus Protest gegen den geplanten Abzug aus dem Gazastreifen doch aus der Regierung ausgetreten. Netanjahu legte sein dreiseitiges Rücktrittsschreiben auf den Kabinettstisch anlässlich der wöchentlichen Sitzung der Regierung, während diese der ersten Phase der Siedlungsräumungen zustimmte. Israel stehe vor der Stunde der Wahrheit, so gab er es Ministerpräsident Ariel Scharon schriftlich, doch beschreite die Regierung nicht den Weg, der zu Frieden und Sicherheit führe. Er, Netanjahu, sei nicht zu einem einseitigen Rückzug ohne Gegenleistung bereit. Dieser teile das Volk und gefährde die Sicherheit des Staates.

Netanjahu riskiert mit seinem Rücktritt zwar, weiter an Glaubwürdigkeit zu verlieren, doch sieht er darin wohl seine letzte Chance, Scharon aus dem Amt zu drängen und selbst wieder Regierungschef zu werden. Er stand während Monaten unter Druck der Nationalisten insbesondere in seiner Likud-Partei. Deren Anführer, der von Scharon entlassene Ex-Minister Uzi Landau, drohte, er werde sich ebenfalls – neben Scharon und Netanjahu – um das Amt des Spitzenkandidaten bewerben und so Netanjahu die entscheidenden Stimmen wegnehmen.

Netanjahu versucht offenbar, sich mit seinem Schritt an die Spitze der nationalen Rechten und des nationalistischen Flügels der Likud zu setzen. Letzterer wiederum verfügt in den Entscheidungsgremien der Partei über Mehrheiten, so dass es durchaus sein kann, dass Netanjahu bei der internen Absprache über das Amt des Spitzenkandidaten für die kommenden Wahlen Scharon schlägt. Dass die für November 2006 angesetzten Knessetwahlen wohl auf nächstes Frühjahr vorgezogen werden, gilt nun als sicher.

Noch am Abend ernannte Scharon seinen Stellvertreter Ehud Olmert zu Netanjahus vorläufigem Nachfolger. Die Börse reagierte mit einem Kurssturz um rund fünf Prozent. Scharon hatte Netanjahus Stellung als erfolgreichen neoliberalen Finanzminister in letzter Zeit mit populären Vorschlägen unterminiert: „Bibi“ sollte als hartherziger Sozialabbauer, „Arik“ dagegen als Landesvater dargestellt werden, der sich um die Sicherheit aller und die Wohlfahrt der Armen kümmert.

Scharon kündigte – noch vor vom Rücktritt seines Konkurrenten – an, die Umsetzung seines „einseitigen Loslösungsplanes“ werde termingemäß erfolgen: Am 15.August wird den betroffenen Siedlern eine letzte zweitägige Frist zum Verlassen ihrer Häuser eingeräumt; am 17.August beginnt die erste Räumungsphase, während der die drei isolierten Gazastreifen-Siedlungen Morag, Kfar Drom und Netzarim geräumt und zerstört werden.

Die Regierung stimmte mit 17 zu 5 Stimmen dieser ersten Phase endgültig zu, wobei Netanjahus schriftlich hinterlassenes Nein berücksichtigt wurde.

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