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Abgestempelt. Edward Snowden hat von den Russen seine offizielle Aufenthaltsgenehmigung erhalten – die USA reagierten erzürnt. Foto: Maxim Schemetow/Reuters

© REUTERS

Zusammenarbeit mit Geheimdiensten?: Private Unternehmen sollen in Abhöraktionen involviert sein

Medienberichten zufolge sollen private Kommunikationsdienste viel enger mit dem britischen Geheimdienst GCHQ zusammengearbeitet haben als bisher bekannt war. Die Bundesregierung hat derweil in der Spähaffäre erste Konsequenzen gezogen.

Als erste Konsequenz der Debatte über Spähaktionen ausländischer Geheimdienste in Deutschland wurden am Freitag zwei Vereinbarungen mit den USA und Großbritannien zur Überwachung der Telekommunikation in der Bundesrepublik nach 35 Jahren aufgehoben. 1968 hatte die Bundesrepublik mit den Westmächten - USA, Frankreich und Großbritannien - Vereinbarungen zur Überwachung der Telekommunikation getroffen. Danach konnten die Alliierten von Deutschland Abhörergebnisse des BND und des Verfassungsschutzes anfordern, wenn es die Sicherheit ihrer Truppen in Deutschland erforderte.

Auf Wunsch der Bundesregierung wurden diese Vereinbarungen jetzt außer Kraft gesetzt. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sprach von einer „notwendigen und richtigen Konsequenz aus den jüngsten Debatten zum Schutz der Privatsphäre“. Zu den Verhandlungen mit Paris verlautete am Freitag aus diplomatischen Kreisen, die Frage werde noch von den zuständigen Dienststellen geprüft.

Historiker: Aufhebung der Vereinbarungen ändert nichts

Der Freiburger Historiker Josef Foschepoth meinte dagegen, die Geheimdienste der USA, Großbritanniens und Frankreichs dürften in Deutschland weiterhin völlig legal die Telekommunikation überwachen. Auch die Aufhebung der Verwaltungsvereinbarungen ändere daran nichts, sagte Foschepoth am Freitag der dpa in Berlin. Die früheren Alliierten könnten „auf Grund des ihnen nach dem Zweiten Weltkrieg zugewachsenen Besatzungsrechts weiterhin in Deutschland abhören“.

Dieses Recht sei inzwischen in deutsche Gesetze eingegangen, sagte Foschepoth. „Und damit ist jede Bundesregierung verpflichtet, sich daran zu halten.“ SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier griff Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an. Ihr fehle „der Mut und das Rückgrat“, um die Grundrechte der Deutschen gegenüber den USA zu verteidigen, sagte er der dpa. „Auch acht Wochen nach Snowdens Enthüllungen hat die Bundesregierung nicht aufklären können, was mit den Daten der Menschen in Deutschland passiert.“ Der Historiker Foschepoth sagte indessen: „Alle Parteien, die bislang an der Regierung waren, haben diese Politik mitgetragen.“ In 60 Jahren deutscher Nachkriegsgeschichte sei jede Bundesregierung bereit gewesen, „den Willen der Amerikaner in dieser Hinsicht zu erfüllen“.

Private Kommunikationsfirmen im Fokus

In Deutschland sind derweil vor allem die privaten Telekommunikationsdienste in den Blickpunkt gerückt. Die „Süddeutschen Zeitung“ und der NDR berichteten am Freitag unter Berufung auf Dokumente des Informanten Edward Snowden aus dem Jahr 2009 davon, dass private Telekommunikationsanbieter viel enger mit dem britischen Geheimdienst GCHQ zusammenarbeiteten, als bislang bekannt war. Beim Ausspähen des weltweiten Internetverkehrs hätten die Briten gleich mit mehreren großen Firmen kooperiert, berichteten SZ und NDR.

Laut den Medien haben die Unternehmen dem britischen Geheimdienst sogar Programme entwickelt, um besser Daten ausspähen zu können. Ob die Kooperationen immer noch laufen, ist unklar. Vodafone Deutschland und die Deutsche Telekom haben jede Beteiligung an Abhöraktionen ausländischer Geheimdienste strikt zurückgewiesen.

Piraten: Überwachung der Bundesbürger bekommt neue Qualität

Nach Ansicht der Piratenfraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag bekommt die Überwachung der Bundesbürger durch ausländische Geheimdienste eine neue Qualität. „Wenn sich bestätigt, dass auf deutschem Boden Daten der Bundesbürger unkontrolliert an den britischen Geheimdienst weitergegeben wurden, dann ist das nichts weniger als eine Straftat, die von deutschen Behörden sofort untersucht und geahndet werden muss“, sagt ihr Mitglied Wolfgang Dudda. Er wird nun Strafanzeige stellen, weitere Abgeordnete der Piratenfraktion denken darüber nach, dieser beizutreten, um den Ermittlungsbehörden den nötigen Anstoß zu verleihen.

Besonders empört über die neuesten Berichte und die Haltung der Bundesregierung ist auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. Er wolle Vorwürfen nachgehen, wonach die NSA möglicherweise auch von deutschen Servern Daten abgesaugt hat und deutsche Unternehmen an den Spähprogrammen beteiligt sind. FDP-Fraktionsvize Gisela Piltz erklärte, Schaar müsse zusammen mit den Landesdatenschutzbeauftragten die Aufklärung vorantreiben. Piltz verlangte auch, dass die deutschen Behörden darlegen müssten, „was genau sie mit dem Testlauf von XKeyscore bezwecken wollen“.

XKeyscore ist ein Instrument, mit dem laut einer Präsentation, die der „Guardian“ veröffentlicht hatte, der amerikanische Geheimdienst NSA nahezu unbegrenzten Zugriff auf riesige Datenmengen weltweit hat. Das Bundesamt für Verfassungsschutz testet XKeyscore derzeit, sagt aber, dass dies nur zur Datenanalyse geeignet sei und nicht zur Datenerhebung. Piltz forderte ein Moratorium für XKeyscore, bis alle offenen Punkte geklärt seien.

Russisch-amerikanisches Verhältnis stark belastet

Snowden sorgt mit seinen Enthüllungen aber nicht nur in Deutschland für Wirbel. Er belastet auch das russisch-amerikanische Verhältnis. Mit Spannung wird Snowden von Moskau aus den Prozess gegen Bradley Manning verfolgen. Während dem einen Whistleblower gerade für ein Jahr vorläufiges Asyl in Russland gewährt wurde, ringt die Verteidigung des Wikileaks-Informanten Manning vor einem US-Militärgericht in Fort Meade mit der Anklage um das Strafmaß, das weit über 100 Jahren Haft liegen könnte. Geheimnisverräter, das macht die Administration von Präsident Barack Obama derzeit deutlich, werden strengstens bestraft. Die Reaktionen Washingtons auf das Asyl Snowdens in Russland bewegen sich an der Grenze des diplomatischen Sprachkodexes.

Als die Nachricht aus Russland eintraf, ließ Obama seinen Sprecher Jay Carney sagen, man sei „extrem enttäuscht“, dass Russland diesen Schritt gegen die mehrfachen Bitten um Auslieferung unternommen habe. Snowden sei kein Whistleblower. Das Verhalten der russischen Regierung unterminiere eine lange Geschichte der Zusammenarbeit bei der Stafverfolgung. Jetzt werde man „unsere tiefe Enttäuschung“ vortragen.

Gipfeltreffen der Minister in Frage gestellt

Indirekt stellten sowohl der Sprecher des Weißen Hauses als auch später eine Vertreterin des Außenministeriums den geplanten amerikanisch-russischen Gipfel der Verteidigungs- und Außenminister im September infrage. Er habe keine Ankündigung zu Terminfragen zu machen, sagte Carney. Dies sei „ganz offenkundig keine positive Entwicklung“. Man habe eine breite Palette an Themen mit den Russen zu besprechen. „Wir überprüfen die Notwendigkeit eines Gipfels.“

Obama reagierte am Donnerstag auf die wachsende Kritik im eigenen Land an den NSA-Spähprogrammen. Er traf im Weißen Haus mit Senats- wie Repräsentantenhausmitgliedern, Demokraten und Republikanern zusammen. Unter den zum Gespräch Geladenen waren neben Unterstützern auch Kritiker der NSA-Kompetenzen, etwa Jim Sensenbrenner und Ron Wyden. Das Treffen, hieß es später, sei „konstruktiv“ gewesen. Der Präsident habe versprochen, mit dem Kongress zusammenzuarbeiten. „Wir überprüfen die Programme jetzt“, sagte Carney. Der Präsident begrüße die Debatte. „Er glaubt, dass die Balance essenziell ist. Und ich denke, er bezweifelt nicht, dass es Wege gibt, die Effektivität der existierenden Programme zu verbessern.“ (mit dpa)

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