zum Hauptinhalt

Politik: „Zusammengeschusterter Kompromiss“

Blair verteidigt seine Haltung auf dem Gipfel / SPD-Politiker glaubt nicht an pünktliche Aufnahme Bulgariens und Rumäniens

London/Berlin Der britische Premierminister Tony Blair hat am Montag seine Ablehnung der EU-Finanzplanung beim Brüsseler Gipfel in der vergangenen Woche verteidigt. Diesmal habe er einem „wie gewöhnlich auf die Schnelle zusammengeschusterten Kompromiss“ nicht zustimmen können, sagte Blair im Unterhaus in London. „Es war nicht das richtige Konzept für Großbritannien, und es war nicht das richtige Konzept für Europa.“ Es stimme aber nicht, dass seine Regierung den Britenrabatt um jeden Preis erhalten wolle. Dieser Abschlag, durch den Großbritannien jedes Jahr Milliarden an EU-Beiträgen spart, sei „nur ein korrigierender Mechanismus“. Allerdings werde Großbritannien über den Rabatt nur diskutieren, falls die Finanzierung der EU grundlegend reformiert werde.

Es könne nicht sein, dass die EU im Zeitalter der Globalisierung immer noch 40 Prozent ihres Etats für die Landwirtschaft ausgebe. Großbritannien sei einer der größten Nettozahler, ohne den Rabatt würde das Land mehr zahlen als Deutschland. Das sei inakzeptabel, sagte Blair. Der hohe Anteil der Agrarausgaben am EU-Etat hängt freilich auch damit zusammen, dass die Subventionen für die Landwirtschaft nur noch aus Brüssel und nicht mehr aus nationalen Etats geleistet werden. Kritiker Blairs weisen zudem darauf hin, dass der Rabatt von derzeit etwa 5,2 Milliarden Euro ohne Korrektur in der nächsten Finanzperiode bis 2013 auf 7 bis 8 Milliarden Euro im Jahr ansteige.

Vor einer „Auszeit“ bei der europäischen Integration warnte Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne). „Europa kann sich keine Pause gönnen“, sagte er. Allerdings müsse jetzt „gründlich bilanziert und analysiert“ werden, denn Europa sei nach dem Scheitern der Verfassungs-Referenden und des Finanzkompromisses in der „schwersten Krise“. Nach Fischers Urteil wäre der Gipfel in Brüssel „abschlussfähig“ gewesen. Die luxemburgische Präsidentschaft und Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) seien den Niederländern und den Briten weit entgegengekommen. Die britische Kritik an den Agrarsubventionen sei nicht der entscheidende Grund für das Scheitern gewesen: „In Wirklichkeit ging es natürlich um den Rabatt.“ Die Krise sei zuerst eine „Vereinigungskrise“. Zweitens spiele eine Rolle, dass die EU den Eindruck erweckt habe, sie kümmere sich nicht um Ängste vor Abstieg und Globalisierung.

Der SPD-Europapolitiker Klaus Hänsch sieht die Chancen für einen planmäßigen EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens schwinden. Hänsch geht davon aus, dass der Beitritt um ein Jahr verschoben wird. „Ich glaube nicht, dass Rumänien und Bulgarien in der Lage sind, die Bedingungen zu schaffen, die das Inkrafttreten des Beitritts am 1. Januar 2007 ermöglichen würden. Das halte ich für ausgeschlossen“, sagte er dem Tagesspiegel. Für den Fall, dass die beiden Länder bei den von der EU verlangten Reformen nicht das gewünschte Tempo vorlegen, ermöglichen so genannte Sicherungsklauseln einen Aufschub des Beitritts um ein Jahr. Der europapolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Günter Gloser, sprach sich hingegen dafür aus, keine voreiligen Schlüsse zum EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens zu ziehen. Erst müssten die EU-Fortschrittsberichte im Herbst abgewartet werden, sagte er dem Tagesspiegel.dpa/ame/tib

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false