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Politik: Zuwanderung, aber nur qualifiziert

Otto Schily begann mit einer Einladung. Der demonstrative Dank an die Unionspolitiker Rita Süssmuth und Peter Müller für die in ihren jeweiligen Kommissionen geleistete Arbeit: Das war zugleich die neuerliche Aufforderung an CDU und CSU, beim Thema Zuwanderung den großen Konsens zu suchen.

Otto Schily begann mit einer Einladung. Der demonstrative Dank an die Unionspolitiker Rita Süssmuth und Peter Müller für die in ihren jeweiligen Kommissionen geleistete Arbeit: Das war zugleich die neuerliche Aufforderung an CDU und CSU, beim Thema Zuwanderung den großen Konsens zu suchen. Doch bei der ersten Lesung des Gesetzespakets am Donnerstag im Bundestag stellte sich der Frieden nicht ein.

Im Gegenteil. Schily warf der Union Obstruktionspolitik, Demagogie, Polemik und eine "üble Form" der Auseinandersetzung vor. Die Union konterte und zitierte genüsslich die früheren Stellungnahmen des Innenministers, wonach die Aufnahmekraft der Bundesrepublik mehr als erschöpft sei und beim Schutz vor geschlechtsspezifischer Verfolgung keinerlei Schutzlücke bestehe.

Der CDU-Innenpolitiker Bosbach formulierte den Kernvorwurf gegen Schilys 100 Seiten starkes Zuwanderungsgesetz. Ohne konkreten Bedarf auf dem Arbeitsmarkt werde die Einwanderung ausgeweitet; was wirklich nötig sei, gehe auch auf der Grundlage der bisherigen Regelungen. Bosbach bezeichnete den rotgrünen Entwurf als "völlige Kurskorrektur, die die deutsche Gesellschaft in wenigen Jahren völlig verändern würde".

Ob sich hinter dem Paket das verschwiegene Ziel der Ausweitung von Zuwanderung verberge, wurde zum Hauptstreitpunkt der teilweise hitzig und erregt geführten Debatte. Schily nahm das Lieblingswort der Union von der "Begrenzung" auf und verwahrte sich gegen die Unterstellung, Schleusen zu öffnen. Hilfreich war ihm da die GrünenFraktionschefin Kerstin Müller nicht, die "nur eine sehr vorsichtige Ausweitung" diagnostizierte, aber immerhin eine Ausweitung.

Auch aus der Union gab es moderate Töne. "Natürlich sagen wir Ja zu mehr qualifizierter Zuwanderung, natürlich gibt es da Bedarf", sagte der innenpolitische CDU-Sprecher Erwin Marschewski. "Wir werden 70 bis 80 konkrete Änderungsanträge vorlegen", warnte er Schily vor. "Und wir erwarten, dass Sie uns entgegenkommen". Marschewskis Fraktionskollege Hans-Peter Uhl von der CSU versuchte, die Zustimmung der Wirtschaft zum Schily-Entwurf in ein Argument gegen den Regierungskurs zu wandeln. Rot-Grün verfahre nach Gutsherrenart, so Uhl. "Einzelne Lobbies, die besonders laut schreien, kriegen billige Arbeitskräfte aus dem Ausland."

Max Stadler (FDP) und Marieluise Beck (Grüne) rückten Zahlen ins Zentrum. Die Ausländerbeauftragte revidierte die oft zitierte Kennziffer, wonach Deutschland pro Jahr Zuwanderer in der Größe der Stadt Nürnberg mit seiner halben Million Einwohner integriere. 2000 sah es so aus: 648 000 kamen, 562 000 gingen, im Saldo blieben 86 000. Viel zu ideologiebeladen sei die Debatte, so Beck. Beispiel Kindernachzug: Die Union will das Maximalalter senken, damit in Deutschland gelernt und aufgewachsen wird. Schily hat sich auf grünes Drängen hin nach oben revidieren lassen. Beck klärte auf: Im Vorjahr kamen 4800 türkische Kinder, pro Altersjahrgang 289.

Für die PDS beharrte Fraktionschef Claus auf weitgehenderen Regelungen: geschlechtsspezifische Verfolgung als Asylgrund, ein individuelles Einwanderungsrecht, die Verpflichtung deutscher Städte zu "kommunaler Empfangspolitik". Rita Süssmuth saß die meiste Zeit allein in der hintersten der besetzten Unions-Bänke. Applaus bekam sie für ihre Arbeit reichlich. Nur aus ihrer eigenen Partei rührte sich kaum eine Hand. "Deutschland braucht Zuwanderer": So lautete der erste Satz des Süssmuth-Berichts. Schilys jüngste Idee, per Volksentscheid über die Zuwanderung abstimmen zu lassen, erntete unterdessen einen drastischen Kommentar. Der SPD-Landeschef im Saarland, Heiko Maas, sagte, der Vorschlag sei "absoluter Blödsinn".

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