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Politik: Zuwanderung: Punktesammler und Engpass-Migranten

Ganz nebenbei, sie spricht gerade über Integration, sagt Rita Süssmuth: "Deutschland ist ein Einwanderungsland." Einwanderung, das bedeutet Wandel.

Ganz nebenbei, sie spricht gerade über Integration, sagt Rita Süssmuth: "Deutschland ist ein Einwanderungsland." Einwanderung, das bedeutet Wandel. "Es geht um eine Erweiterung auf beiden Seiten", sagt Süssmuth. Dieser Mittwoch also ist der große Tag. Süssmuths Regierungs-Kommission zur Zuwanderung präsentiert ihre Empfehlungen. Anfang Juni hatte die CDU das Zuwanderungskonzept von Saar-Ministerpräsident Peter Müller beschlossen, in den nächsten Tagen folgt die SPD mit ihrem Eckpunktepapier, Grüne und FDP hatten längst vorgelegt. Nach der Sommerpause wird Innenminister Otto Schily (SPD) einen Gesetzentwurf präsentieren, der sich an Müller und Süssmuth orientiert. Dann gibt es eine Einigung - oder heftigen Wahlkampfstreit.

Süssmuths Bericht ist knapp links von jenen Vorstellungen angesiedelt, die Müller publiziert und Schily präsentiert hat. Am sichtbarsten sind die Unterschiede in der Ausweitung der Asylgründe, die Süssmuths Kommission für nötig hält. Es geht dabei um die von den Grünen geforderten und von Schily abgelehnten Fälle nichtstaatlicher oder geschlechtsspezifischer Verfolgung. Schily fürchtet, damit werde auch jenen Tür und Tor geöffnet, die eine hohe Kriminalität für einen ausreichenden Grund hielten, in Deutschland um Schutz zu bitten. Süssmuth sieht dies anders. Andere europäische Staaten machten vor, wie eine Grenzziehung sinnvoll aussehen könne.

Die Kommission der CDU-Politikerin verbindet die Grundsatzreform des Asyl- und Ausländerrechts mit dem Aufruf zu "massiven Reformen im Innern". Dabei müsse klar sein, dass die demographische Entwicklung, Bevölkerungsschwund und Überalterung also, mittels Zuwanderung "nicht zu lösen, sondern nur entscheidend abzumildern" sei. In zwei von vier Kernbereichen hat sich die Süssmuth-Kommission an ausländische Vorbilder gehalten. Bei der Auswahl jener, die aus ökonomischen Gründen nach Deutschland kommen, hat das kanadische Punktesystem Pate gestanden. "Das ging lange hin und her, ob wir nicht das US-Modell nehmen", berichtet Süssmuth. Bei der Integration sind die niederländischen Sprach- und Integrationskurse das Modell.

Seit 1973 der Anwerbestopp verhängt wurde, gab es, zumindest offiziell, keine Einwanderer mit ökonomischer Motivation mehr. Erst Gerhard Schröders Green-Card-Initiative - 8700 Hightech-Spezialisten haben bisher das Fünf-Jahres-Ticket nach Deutschland gelöst - brach die fest gefahrene Debatte auf. Süssmuth knüpft hier an. 50 000 Wirtschaftsmigranten sollen im ersten Jahr nach Deutschland kommen können, schlägt ihre Kommission vor. 10 000 davon ("18 plus") kommen als junge Menschen ohne Familie, um sich ausbilden zu lassen. 20 000 werden nach Alter, Bildung, Berufserfahrung, Sprachkenntnissen, Familienstand und persönlicher Integrationsbereitschaft bewertet und nach der erzielten Gesamtpunktzahl zugelassen - oder eben nicht. Die Integrationsbereitschaft würde in einem Test ermittelt, der vom neu zu schaffenden Bundesamt für Migration erstellt und von den deutschen Botschaften ausgeführt wird. Die 20 000 bekämen eine unbefristete Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung. "Mit so einem Modell haben wir noch keine Erfahrung, aber jetzt ist noch genügend Zeit, um eben diese Erfahrungen zu sammeln", meint Süssmuth.

Die letzten 20 000 ("Engpass-Migranten") wären Menschen mit mindestens drei Jahren Berufserfahrung, die ohne das Punktsystem ausgewählt würden und eine auf fünf Jahre befristete Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung bekämen. Sie sollen Stellen besetzen, für die Firmen verzweifelt nach einer Besetzung suchen und wo die Arbeitsämter keine Vermittlungsmöglichkeit sehen. Will ein Unternehmer unbedingt einen Ausländer, sieht das Arbeitsamt aber die Chance, einen EU-Bürger zu vermitteln, so müsste der Arbeitgeber die Ernsthaftigkeit seines Interesses dadurch belegen, dass er eine Gebühr von 15 Prozent des Gehalts zahlt.

Ohne festgelegte Quoten könnten nach Süssmuths Vorschlägen Spitzenkräfte (nach dem Punktsystem bewertet) und Existenzgründer (ohne Punktebewertung) für fünf Jahre nach Deutschland kommen. "Das Spannende an dieser Systematik ist ihre Durchlässigkeit", sagt Süssmuth. Ein abgelehnter Asylbewerber könnte sich nach seiner Rückkehr als Punkte-Migrant bewerben. Schily hat sich für eine striktere Trennung ausgesprochen. Weniger Probleme dürfte er mit Süssmuths Vorschlag haben, den Befristeten die Bewerbung für das Punkterennen hin zum unbefristeten Status zu erlauben.

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