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Politik: Zwangsarbeiter-Entschädigung: "Die ganze Zinssumme steht den NS-Opfern bei Entschädigung zu"

Prag sieht Ursachen für die beschämende Verzögerung bei Entschädigungen von NS-Zwangsarbeitern nicht in Deutschland, sondern "auf Seiten amerikanischer Gerichte". Der tschechische Außenminister Jan Kavan drückte in einem Gespräch mit dem Tagesspiegel seine Erleichterung darüber aus, dass der Deutsche Bundestag nun die Rechtssicherheit für die Wirtschaft festgestellt hat und dass damit die Zahlungen beginnen können.

Prag sieht Ursachen für die beschämende Verzögerung bei Entschädigungen von NS-Zwangsarbeitern nicht in Deutschland, sondern "auf Seiten amerikanischer Gerichte". Der tschechische Außenminister Jan Kavan drückte in einem Gespräch mit dem Tagesspiegel seine Erleichterung darüber aus, dass der Deutsche Bundestag nun die Rechtssicherheit für die Wirtschaft festgestellt hat und dass damit die Zahlungen beginnen können. Zum aktuellen Streit über die Einbeziehung der inzwischen angehäuften Zinsen der Stiftung in diese Zahlungen meinte Kavan: Er sei überzeugt, dass die ganze Zinssumme den Opfern zustehe.

In Zusammenhang mit dem Disput um die Forderung Deutschlands und Österreichs, nach der ersten EU-Erweiterung die Freizügigkeit für Arbeitskräfte aus den neuen Mitgliedsländern für etwa sieben Jahre einzuschränken, lehnte der Außenminister eine derartige "Herabstufung zu EU-Mitgliedern zweiter Klasse" ab. Dies sei auch in einer gemeinsamen Erklärung der sechs Kandidaten der ersten Erweiterungsphase, der so genannten Luxemburger Gruppe, vom Mai zum Ausdruck gebracht worden. Außerdem sei die Begründung für die Einschränkung - mit einer zu erwartenden Migrationswelle - unsinnig. Er könne verstehen, dass die deutschen und österreichischen Politiker bei ihrer Haltung die Ängste der jeweils eigenen Öffentlichkeit vor Augen haben. Doch sie müssten Aufklärungsarbeit zu Hause leisten und auch die öffentliche Meinung in den Kandidatenländern beachten, bei der solche Verzögerungen die Akzeptanz des EU-Beitritts negativ beeinflussten.

Die Aufklärung müsste angesichts der Tatsache betrieben werden, so Kavan, dass alle Erhebungen die minimale Mobilitätsbereitschaft der Arbeitskräfte in Ländern wie Tschechien belegten. Daher sei kaum eine zusätzliche Belastung der Arbeitsmärkte der Nachbarn zu erwarten. "Wir sind natürlich nicht so naiv zu glauben, dass die Übergangsfristen auf Null heruntergehandelt werden können", formuliert Kavan erfrischend undiplomatisch offen. Er sei aber überzeugt, dass ein Kompromiss gefunden wird. Man könne etwa länder- und branchenspezifische Kriterien aufstellen. Nach den ersten zwei Mitgliedschaftsjahren könnte dann eine Bilanz gezogen werden, inwiefern die Einschränkungen für das jeweilige Land noch erforderlich sind. Das würde auch die öffentliche Meinung aller Beteiligten akzeptieren können. Außerdem könnten die neuen Mitglieder aufgrund von bilateralen Abmachungen mit EU-Staaten, "die die Arbeitsmarktängste nicht teilen", die Freizügigkeit von Anfang an einführen.

Alexander Loesch

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