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Politik: Zwangsarbeiter-Entschädigung: Jetzt fehlt noch das Geld der Wirtschaft

Der in Washington nach zehnstündigen Gesprächen erzielte Durchbruch bei den Verhandlungen über die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern ist überwiegend begrüßt worden. "Ich bin erleichtert", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz.

Der in Washington nach zehnstündigen Gesprächen erzielte Durchbruch bei den Verhandlungen über die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern ist überwiegend begrüßt worden. "Ich bin erleichtert", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz. Die Einigung sei zum letzten möglichen Termin zustande gekommen, ohne den Zeitplan für das Entschädigungsgesetz und damit für die Zahlungen an die ehemaligen Zwangsarbeiter zu gefährden. Er gehe jetzt davon aus, dass das Gesetzgebungsverfahren bis vor der parlamentarischen Sommerpause im Juli abgeschlossen sein wird. "Die ersten Gelder können wohl im Herbst an die Opfer gehen."

Wiefelspütz wies aber daraufhin, dass der Industrie noch zwei Milliarden der versprochenen fünf Milliarden Mark fehlen. Eigentlich sieht der Entwurf für das Stiftungsgesetz vor, dass die gesamten zehn Milliarden Mark für den Fonds zur Verfügung stehen müssen. Der SPD-Bundestagsabgeordnete kann sich allerdings vorstellen, "der Wirtschaft eine Brücke zu bauen". Wie diese aussehen könnte, ließ er offen. Darüber müsse man auch mit Finanzminister Eichel sprechen. Wiefelspütz betonte allerdings, dass es "keine Zwischenlösung zu Lasten des Staates" geben werde. Das Geld müsse die Wirtschaft selbst zusammen bringen. Auch der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, forderte die deutschen Unternehmen auf, mehr zu tun, um die versprochene Summe bereitzustellen. Es gäbe jetzt kein Argument mehr, dem Stiftungsfonds nicht beizutreten, sagte der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach.

Opferanwalt Michael Witti sprach von einer politischen Entscheidung. "Die Industrie und die Bundesrepublik nehmen ihre eigene Rechtskonstruktion an, sie akzeptieren also, dass es eine 100-prozentige Sicherheit vor Klagen nicht gibt." Die USA seien mit dem Statement of Interest bis an die Grenze ihres Rechtssystems gegangen. Trotz der Einigung schloss Witti im Gespräch mit dem Tagesspiegel nicht aus, dass es später weitere Klagen gegen die deutsche Wirtschaft geben könnte. "Zwangsarbeiter werden wohl keine Ansprüche mehr geltend machen. Dafür aber möglicherweise Opfer, die eine Entschädigung für Vermögensschäden während der NS-Zeit fordern." Die "Arisierungen" habe die Industrie "knallhart aus der Vereinbarung herausgehandelt." Das könnte sich rächen. Er werde solche Mandate auf jeden Fall wahrnehmen. Witti begrüßte die Einigung, warnte aber vor Euphorie. "Sicher, es hat einen großen Schritt nach vorne gegeben. Doch bis die Opfer ihr Geld bekommen, dauert noch bis zum Ende des Jahres - wenn alles gut geht."

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